Afghanistan-Einsatz:SPD-Spitzenpolitiker für raschen Abzug

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"So schnell wie möglich raus aus Afghanistan": Die Sozialdemokraten nähern sich der Position der Linken an.

Nach den tödlichen Anschlägen auf die Bundeswehr in Afghanistan fordern nun erste SPD-Spitzenpolitiker den raschen Abzug der deutschen Soldaten. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, und der schleswig-holsteinische Landeschef Ralf Stegner verlangten am Wochenende einen Rückzug "so schnell wie möglich" und näherten sich damit der Position der Linken an. Bislang hatte die SPD für eine Fortsetzung des Einsatzes plädiert.

Sellering sagte im Sender NDR: "Aus meiner Sicht sollten wir aus Afghanistan so schnell wie nur irgend möglich raus." Der Einsatz dort habe sich gewandelt. "Man mag das völkerrechtlich anders einordnen, aber es ist Krieg. Es fallen deutsche Soldaten", sagte Sellering.

Ähnlich äußerte sich Stegner bei Spiegel Online. "Wir müssen so schnell wie möglich raus", sagte er und fügte hinzu: "Je früher, desto besser." Die militärische Logik gehe nicht auf. Zuletzt hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier trotz der neuen Todesfälle in Afghanistan für eine vorläufige Fortsetzung des Einsatzes plädiert.

Die Linke begrüßte den Vorstoß der beiden SPD-Politiker. Vorstandsmitglied Christine Buchholz sagte: "Ich wünsche mir sehr, dass sich Positionen wie die von Sellering in der SPD durchsetzen."

Union bleibt auf Kurs

Dagegen will sich die Union nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. "Wir müssen jetzt Festigkeit beweisen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), der Süddeutschen Zeitung. CDU-Fraktionschef Volker Kauder warnte ebenfalls vor einem schnellen Rückzug: Wenn man das Land jetzt verlasse, "würde das nicht zu einer Beruhigung, sondern zu einem gefährlichen Konflikt mit dem Charakter eines Bürgerkriegs führen".

Derweil versprach Außenminister Guido Westerwelle (FDP) den Soldaten in der Bild am Sonntag die "bestmögliche Ausrüstung, die sie benötigen". Er fügte hinzu: "Bundeswehr und Bundesregierung werden alles tun, um das sicherzustellen."

Guttenberg auf Landweg nach Berlin

Der auf dem Rückweg aus Afghanistan wegen der Aschewolke in Istanbul zwischengelandete Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kam am Sonntagnachmittag in Berlin an, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Wegen des Flugverbots musste der Minister den Landweg nutzen und ließ die fünf zum Teil schwer verletzten Soldaten in Istanbul zurück. Drei der Verletzten seien transportfähig, zwei müssten weiter in der Türkei behandelt werden.

Bei dem Anschlag waren am Donnerstag vier Bundeswehrsoldaten getötet worden. Die Trauerfeier in Deutschland soll voraussichtlich am 23. April in Ingolstadt stattfinden. An ihr werde der Minister selbstverständlich teilnehmen, sagte der Sprecher.

Der Kommandeur des Regionalkommandos für Nord-Afghanistan, Frank Leidenberger, hatte bereits vor dem tödlichen Bundeswehr-Einsatz schwere Bedenken dagegen vorgebracht. Er habe darauf hingewiesen, "dass aufgrund eines Kontingentwechsels keine maximale Unterstützung für die Operation zu diesem Zeitpunkt möglich wäre", bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums einen Bericht der Bild am Sonntag.

Die Einsatzzentrale, die dem Kommandeur der internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF), US-General Stanley McChrystal, untersteht, habe jedoch auf einem zeitnahen Beginn der Operation bestanden. Der Vorfall dürfte auch Thema bei einem von Montag auf Dienstag verschobenen Treffen zwischen McChrystal und Guttenberg in Berlin sein. Ob das Gespräch tatsächlich stattfindet, war allerdings wegen des Flugverbots noch unklar.

Derweil meldete das afghanische Innenministerium, dass bei Luftangriffen im Rahmen einer Offensive der internationalen Streitkräfte in der nordafghanischen Provinz Baghlan innerhalb von vier Tagen mindestens 29 Aufständische getötet worden seien. Zwei niederländische Soldaten kamen in der südafghanischen Provinz Urusgan in einer Sprengfalle ums Leben.

In Nordafghanistan betrauerten unterdessen Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen den Tod deutscher Kameraden. Im Isaf- Hauptquartier in Masar-i-Scharif erwiesen am Sonntag 1500 Soldaten aus 19 Ländern den vier im Kampf mit den Taliban gestorbenen Deutschen die letzte Ehre.

"Von ihnen nehmen wir nun Abschied als wäre es ein Stück von uns", sagte der Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker vor den Särgen der gestorbenen Soldaten. Wieker warnte vor einer Fortsetzung der innenpolitischen Debatte in Deutschland über den Sinn und die Dauer des Afghanistan-Einsatzes.

Die Taliban betrachteten es als "strategisches Spiel", den Rückhalt der Bundeswehrsoldaten in der Heimat und die politische Entschlossenheit von Regierung und Parlament zu beeinträchtigen.

Der Gegner wolle "eine öffentliche Debatte in Deutschland, deren Dramaturgie er durch Zeit, Ort und Wahl der Mittel" bestimmen könne. "Aber das dürfen und das werden wir nicht zulassen, um unserer Sicherheit und der afghanischen Bevölkerung Willen", sagte Wieker.

Der Kommandeur der deutschen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger, bekräftigte bei der Trauerfeier den Willen der Truppe zur Fortsetzung des Einsatzes. "Es bleibt dabei: Wir geben nicht klein bei. Wir werden weiter kämpfen. Und wir werden gewinnen." Die tödlichen Anschläge der radikalislamischen Taliban auf die Bundeswehr seien von "schamlosen, feigen Männern" verübt worden.

Der Feind fordere die Welt mit seiner auf Hass und Abneigung gegründeten Ideologie heraus. "Wir stehen hier an der Frontlinie zur Abwehr dieser Bedrohung", sagte Leidenberger.

Die Särge sollten nach der Trauerfeier zum Stützpunkt Termes in Usbekistan geflogen werden. Wann von dort aus der Rücktransport nach Deutschland starten kann, ist wegen des geltenden Flugverbots in Europa weiter unklar.

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