Afghanistan-Einsatz:Die Gefahr des Scheiterns wächst

Die jüngsten Proteste nach den Koran-Verbrennungen in Bagram zeigen, wie fragil die Sicherheitslage in Afghanistan ist. Bis zur Verantwortungsübergabe 2014 ist nur noch wenig Zeit. Die Bundesregierung muss sie nutzen, auch wenn der Einsatz scheitern kann.

Daniel Brössler

Das Zauberwort im deutschen Afghanistan-Einsatz lautet schon seit einiger Zeit: Ehrlichkeit. Ehrlich räumt die Bundesregierung ein, dass am Hindukusch keine Demokratie nach europäischer Art entstehen wird. Sie gibt auch ehrlich zu, dass in Afghanistan Sicherheit ein relativer Begriff ist. Und sie bestreitet auch ehrlich nicht mehr, dass nur Gespräche mit den Aufständischen Ruhe versprechen. Das alles ist die Wahrheit - aber leider nur die halbe. Nicht erst die jüngste Gewalt zeigt, wie schlimm es wirklich steht. Sie macht es nur noch schwerer, die Augen davor zu verschließen.

Der Protest nach den Koran-Verbrennungen durch US-Soldaten hält an. Hunderte Afghanen gehen wieder auf die Straße. (Foto: dpa)

Die Proteste nach den Koran-Verbrennungen zeigen, wie fragil jene Sicherheitslage ist, deren "zunehmende Stabilisierung" der jüngste Fortschrittsbericht der Bundesregierung konstatiert. Die Dummheit weniger US-Soldaten genügt, um Aufruhr in schwer kalkulierbarem Ausmaß zu provozieren. Es macht die Sache nicht besser, dass es sich vermutlich nicht um spontanen Volkszorn handelt, sondern um gesteuerte Unruhen. Die Taliban und ihre pakistanischen Helfer mögen militärisch nicht mehr in der Lage sein, die westlichen Streitkräfte herauszufordern. Leicht aber scheint es ihnen zu fallen, die Reste des Vertrauens in die Isaf-Truppen zu erschüttern.

Zur Ehrlichkeit gehört: Die Gefahr des totalen Scheiterns wird immer größer. Die Gefahr, dass in zehn Jahren nichts aufgebaut worden ist, dass ohne den Schutz ausländischer Soldaten Bestand hat. Zu glauben, von Afghanistan werde künftig keine terroristische Gefahr mehr ausgehen, wäre in diesem Fall Selbstbetrug. Die Zeit bis zur vereinbarten Sicherheitsübergabe 2014 muss trotzdem genutzt werden. Alles andere wäre Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

© SZ vom 27.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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