Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr:Gabriel grillt Guttenberg

SPD-Chef Gabriel nutzt die Debatte zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Bundestag, um auf Verteidigungsminister Guttenberg einzudreschen wie schon lange nicht mehr. Dessen Koalitionsfreunde scheint das nicht zu stören.

Thorsten Denkler, Berlin

Als SPD-Chef Sigmar Gabriel an das Redner Pult tritt, nimmt Außenminister Guido Westerwelle seine "Jetzt sollen mal alle sehen, dass ich zuhöre"-Haltung ein. Den Rücken durchgestreckt, dass Kinn leicht nach vorne gereckt und ansonsten Stuhl, Oberkörper und Augen konsequent auf den Redner gerichtet.

Bundestag

Zehn Minuten Prügel für Guttenberg: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel übte während  der Debatte über die Fortführung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan heftige Kritik am Verteidigungsminister.

(Foto: dpa)

Westerwelle weiß: An diesem Morgen hat er in der Schlussdebatte um die Verlängerung des Afghanistan-Mandats von Gabriel nichts zu befürchten. Der Außenminister will noch in diesem Jahr beginnen, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Die SPD steht da auf seiner Seite. Auch wenn es vielen Sozialdemokraten schwerfallen dürfte, mit Westerwelle gemeinsam auf irgendeiner Seite zu stehen.

Gabriel hat sich für diesen Tag ein anderes Regierungsmitglied ausgeguckt, dem er verbal vors Schienbein treten kann: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Sonnengott der CSU und somit natürlicher Lieblingsfeind der SPD.

Gabriel fängt harmlos an, spricht über das Leid der Angehörigen, die Tote und Verletzte zu beklagen haben, darüber wie wichtig es sei, dass von Afghanistan keine Terrorgefahr mehr für die Welt ausgehe. Und dass es Sozialdemokraten gewesen seien, die den Strategiewechsel hin zu einer Abzugsperspektive eingeleitet hätten.

Bevor er zur Sache, also zu Guttenberg, kommt, sucht Gabriel die Regierungsbank nach Bundeskanzlerin Angela Merkel ab. Die soll sich schon anhören, was er über ihren Star-Minister zu sagen hat. Die CDU-Chefin ist nicht da. "Schade", bemerkt Gabriel enttäuscht.

Westerwelle flüstert ihm zu: "Sie kommt gleich." Als würde er es begrüßen, wenn sie ein wenig von Gabriels erwarteter Breitseite auf Guttenberg mitbekommen würde.

In den vergangen Wochen sind der Außenminister und der Verteidigungsminister heftig aneinandergeraten. Sie stritten öffentlich über ihre unterschiedlichen Ansichten, wann der Truppenabzug konkret beginnen soll. Der Kompromiss ist jetzt als schwammige Formulierung im Mandatstext nachzulesen: einen Abzugsbeginn noch 2011 soll es nur geben, "wenn die Lage es zulässt".

Merkel ist immer noch nicht da. Sie wird auch so schnell nicht kommen. Erst als Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zwei Redner später dran ist, sitzt sie auf ihrem Kanzlersessel. Sie hört sich das nicht lange an, zieht sich lieber mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder in eine der letzten Reihen zurück. So viel zum Interesse der Kanzlerin.

Gut, dann muss Gabriel halt ohne sie anfangen.

Guttenberg grinst

Es folgen zehn Minuten Prügel für Guttenberg: Dass es dem "völlig wurscht" sei, wann genau der Abzug der Bundeswehrsoldaten beginne, hält Gabriel dem Minister vor. Guttenberg hat das so in einem Interview gesagt. "Von mir aus kann ihm der Außenminister oder die Kanzlerin wurscht sein", ätzt Gabriel. Aber wenn ihm die Strategie der Vereinten Nationen "völlig wurscht" ist, "dann ist er schlicht und ergreifend Fehl auf seinem Platz".

Guttenberg grinst nur. Westerwelle aber hört weiter interessiert zu. Ein wenig scheint ihn zu freuen, dass ausnahmsweise nicht er derjenige ist, der die Prügel einstecken muss.

Gabriel ereifert sich darüber, dass Guttenberg den Eindruck erweckt habe, er entscheide allein über den Truppenabzug. "Bitte bringen sie ihrem Verteidigungsminister bei, dass es nur eine Institutionen gibt, die darüber entscheidet." Süffisant bringt er Guttenbergs blaublütige Abstammung ins Spiel. "Auch in seinen Kreisen müsste sich inzwischen herumgesprochen haben, dass nur ein demokratisch gewähltes Parlament darüber zu entscheiden hat."

Die "Methode Guttenberg"

So geht es munter weiter: Deutschland brauche keine "schneidigen Entscheidungen", keine auf "Abruf bereitstehende Interventionstruppe", poltert Gabriel. Da nickt Westerwelle sein "Jetzt sollen alle sehen, dass ich nicke"-Nicken. Sein Hintermann Guttenberg sieht es nicht. Er folgt dem Auftritt des SPD-Chefs, indem er in seinen Akten blättert.

Die Bundeswehr sei als "zivile Parlamentsarmee", eine "riesige Erfolgsgeschichte unseres Landes", sagt Gabriel. Wieder nickt Westerwelle. Guttenberg steckt seine Nase noch tiefer in die Akten.

Natürlich greift Gabriel auch die pikanten Details aus dieser Guttenbergschen Horrorwoche auf, die heute ihr Finale findet. Mysteriöse Todesfälle auf der Gorch Fock und in Afghanistan, Debatten um fehlende innere Führung, geöffnete Feldpost.

Gabriel wirft Guttenberg vor, zu spät aufgeklärt, sich zu spät informiert zu haben. Es sei unverzeihlich, dass der Minister "schwerwiegenden Vorfällen nicht von selbst nachgeht". Ein "wacher Minister" müsse entsprechende Feldjägerberichte selbst anfordern.

Es gibt laut Gabriel eine "Methode Guttenberg": 1. Zugeben, dass natürlich Fehler gemacht werden. 2. Anderen die Schuld in die Schuhe schieben. 3. Leute entlassen. Hauptsache, er kommt gut in den Medien weg. Gabriel holt zum finalen Schlag aus: "Der Minister verkauft dafür seine Mitarbeiter und Soldaten!" Nach diesem Generalangriff wäre ja eigentlich zu erwarten, dass zumindest die Redner der Union ihren Verteidigungsminister massiv in Schutz nehmen. Nichts dergleichen passiert.

Alle anderen Fraktionen schicken ihre Fraktionschefs vor. Nur CDU und CSU begnügen sich mit der zweiten Reihe. Ihr blasser Fraktionsvize Andreas Schockenhoff soll Gabriel Kontra bieten. Mit pastoraler Stimme bescheinigt er Gabriel einen "dünnen" Vortrag. Das wars. Ministerverteidigung sieht anders aus. Man hat den Eindruck, als hätte Guttenberg noch weniger Freunde in den eigenen Reihen, als bisher gedacht.

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