Afghanistan-Einsatz:Das Ende der Illusionen

In Afghanistan gibt es für die Bundeswehr nur zwei Möglichkeiten: Mehr Soldaten oder Abzug. Doch zuerst müssen Politik und Öffentlichkeit aufhören, die Situation schönzureden.

Peter Blechschmidt

Die Bomben von Kundus müssen eine Zäsur in der deutschen Afghanistan-Debatte bewirken. Der von einem deutschen Oberst angeordnete Angriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster, bei dem viele Menschen getötet wurden, hat die Vorstellung von deutschen Brunnenbauern unter dem wachsamen Auge freundlicher Uniformträger endgültig ins Reich der Illusion befördert.

Afghanistan-Einsatz: Demonstranten protestieren in Berlin auf einer Kundgebung der Partei Die Linke gegen den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan.

Demonstranten protestieren in Berlin auf einer Kundgebung der Partei Die Linke gegen den Einsatz von deutschen Soldaten in Afghanistan.

(Foto: Foto: AP)

Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan im Krieg, auch wenn dies völkerrechtlich anders definiert sein mag. Deutsche Soldaten werden angegriffen und sterben, deutsche Soldaten schießen zurück und löschen Menschenleben aus. Und in Kundus wurden mutmaßliche Aufständische nach allem, was man weiß, präventiv getötet, um einem Angriff auf die eigenen Leute zuvorzukommen.

Schonungslose Analyse

Es ist an der Zeit, dass sich Politik und Öffentlichkeit in Deutschland um diese Erkenntnis nicht länger herumdrücken. Es muss Schluss sein mit der Schönrednerei und dem Sich-selbst-in-die-Tasche-Lügen. Nötig ist eine schonungslose Analyse der Situation. Und dann muss man über die Konsequenzen reden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hält an dem Einsatz fest, dann muss man es endlich richtig machen. Oder man gesteht sich und anderen das Scheitern ein, dann muss man aus Afghanistan abziehen.

Von einem endgültigen Scheitern zu sprechen, ist noch zu früh. Der Grund, weshalb sich Deutschland am Hindukusch engagiert hat, die Bekämpfung des islamistischen Terrors, ist heute virulenter denn je. Deutschland ist seinen Partnern zur Bündnissolidarität verpflichtet. Und Deutschland ist bei all jenen Afghanen im Wort, die sich von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft für ihr Land eine Wende zum Besseren erhoffen.

Die Folgerung daraus lautet, dass man die Bedingungen für den Einsatz grundlegend verändert. Die jetzt erlaubten 4500 Soldaten reichen nicht aus, die erstarkten Taliban erfolgreich zu bekämpfen. Vor allem reichen sie nicht aus, um befriedete Regionen dauerhaft zu sichern.

Heikle Aufgabe der Luftunterstützung

Wenn Dorfälteste befürchten müssen, von nur zeitweilig vertriebenen Taliban wegen der Zusammenarbeit mit den Ausländern ermordet zu werden, dann werden sie zur Kooperation nicht bereit sein.

Es stellt sich auch die Frage - gerade nach den Erfahrungen von Kundus -, ob Deutschland sich länger aus der heiklen Aufgabe der Luftunterstützung heraushalten kann. Die überlässt man bislang den Amerikanern mit dem Hinweis, das man ja schon für die Luftaufklärung sorge. Schließlich muss man, wie das Beispiel Kundus auch zeigt, mehr Rechtssicherheit für die Soldaten schaffen.

Es dürfte schwierig werden, für all das Mehrheiten im Bundestag zu organisieren. Vor allem dann, wenn die SPD, in der die Raus-aus-Afghanistan-Fraktion immer größer wird, auf den Oppositionsbänken landen sollte. Aber die Zeit des Durchwurstelns ist vorbei. Auch wenn die Wahlkämpfer das (noch) nicht zugeben wollen.

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