Afghanistan:Echter Frieden

Die Fortsetzung des deutschen und internationalen Engagements in Afghanistan ist ohne Alternative. Wie sich die neue US-Regierung in der Frage positioniert, ist noch unklar - doch genau diese Unsicherheit kann selbst alte Gegner zusammenbringen.

Afghanistan braucht Dich, komm zurück, hier mögen wir Dich", postete der Jugendaktivist Nang Attal auf Facebook als Botschaft an in den USA lebende Afghanen. Donald Trump hatte soeben einen Einreisestopp gegen Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern unterschrieben - Afghanistan war (noch) nicht dabei. Attal ist nach mehreren Stipendien in den USA vor gut einem Jahr nach Kabul zurückgekehrt. Er hätte legal in Amerika bleiben können.

Es gibt Hoffnung am Hindukusch: Engagierte Afghanen wollen ihre Heimat trotz Schwierigkeiten aufbauen. Millionen Kinder gehen zur Schule. Andererseits wurden 2016 nach Angaben der UN mehr als 10 000 Menschen getötet. Sicher ist es in Afghanistan nicht. Die Taliban, die afghanische Regierung, Anrainer wie Russland, China, Iran, Pakistan und Indien - und auch Amerika - haben in der Terrormiliz IS einen gemeinsamen Feind.

Dennoch dürften die USA ihre Rolle als Pate Afghanistans aufgeben. Ist das eine Chance? Eine große Koalition der IS-Gegner in Süd- und Zentralasien, mit den Taliban als good bad guys und IS-Kämpfern als really bad guys? Nicht, dass es an politischen Prozessen mangelte: Es gibt die Heart-of-Asia-Initiative, die "Quadrilaterale Koordinationsgruppe", die "6+2"- Verhandlungen sowie eine russisch-chinesisch-pakistanische Initiative, die Ende 2016 publik wurde. Zentrale Voraussetzung für Friedensverhandlungen ist Kriegsmüdigkeit. Doch wie stark ist diese bei den Taliban? Sie wähnen sich auf der Siegerstraße, denn sie beherrschen inzwischen etwa 40 Prozent des Landes. Mit dem IS kommen jedoch nun internationale Extremisten ins Land. Seine Kämpfer werden aus Syrien und dem Irak verdrängt und suchen Rückzugsgebiete. Zudem haben viele Afghanen für den IS gekämpft. Auch sie werden heimkehren.

Die Afghanistan-Strategie der neuen US-Administration ist noch unklar. Trump hat mit dem afghanischen Präsidenten Ghani über zusätzliche internationale Truppen diskutiert, im Gespräch sind bis zu 5 000 Soldaten. Der US-Präsident steckt hier in einem Dilemma: islamistischen Terrorismus bekämpfen oder amerikanischen Interventionismus reduzieren? Wahrscheinlich ist, dass er von den Regionalmächten eine Beteiligung einfordern wird an den jährlich etwa vier Milliarden Dollar, mit denen die USA die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen.

Zwei Dinge könnten also die Konfliktparteien zusammenbringen: Die Angst vor dem IS und die Unsicherheit wegen Trump. Nur ein politischer Prozess kann eine stabile afghanische Regierung hervorbringen, an der dann in der einen oder anderen Form die Taliban und andere Islamisten beteiligt sein werden. Gleichzeitig ist eine militärische Absicherung unabdingbar. Dabei dürfen frühere Fehler nicht wiederholt werden. Die Afghanistan-Mission sollte ein politischer Einsatz mit militärischer Unterstützung sein und nicht, wie bisher, umgekehrt. Dazu brauchen wir weiterhin die Nato, aber zusätzlich auch Garantiemächte aus der Region, wie eben Russland, China, Pakistan, Iran und Indien. Vor allem aber müssten Afghanen mit Afghanen reden, also die Regierung mit den Taliban. Ihre jeweiligen Unterstützer dürften sich mehr vor dem IS und einer unberechenbaren US-Politik als vor einer Stabilisierung Afghanistans fürchten. Russland und China wollen das Vakuum nutzen, das die USA hinterlassen könnten. Daher ihre jüngste Friedensinitiative. In dieser Gemengelage könnte also ein politischer Prozess gelingen. Und mit dem Friedensabkommen zwischen der afghanischen Regierung und der Miliz von Gulbuddin Hekmatyār im vorigen Herbst ist ein erster Schritt getan.

Attal hat es den Deutschen nicht vergessen, dass sie vor 20 Jahren eine Schule in seinem Dorf gebaut haben. Nun fordert er seine Regierung auf, die Sicherheit zu verbessern, Jobs zu schaffen, die Korruption einzudämmen. Und vor allem: Bildungschancen für junge Afghanen zu eröffnen. Das fortwährende deutsche und internationale Engagement in Afghanistan sei alternativlos, sagt er. Wir müssten die größte außenpolitische Investition unserer Geschichte sichern. Nachlässigkeit mache Afghanistan erneut zu einem Rückzugsgebiet für radikale Islamisten.

Almut Wieland-Karimi, 51, ist Direktorin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF).

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