Afghanistan:Der Optimismus des Ex-Talib

Früher hat Maulawi Arsala Rahmani den afghanischen Islamisten als Minister gedient. Jetzt lobt er Präsident Karsai - und will bei Gesprächen mit den Taliban vermitteln. Doch die lehnen Verhandlungen bislang strikt ab.

Tobias Matern, Kabul

Der einzige Wachmann vor dem Haus von Maulawi Arsala Rahmani grüßt freundlich. Durchsuchen will er den Besucher nicht. Die für Kabuler Verhältnisse ziemlich lockeren Sicherheitsvorkehrungen lassen darauf schließen, dass der Hausherr nicht um sein Leben fürchtet. Auch die kämpfenden Aufständischen respektierten ihn weiterhin, sagt ein Kenner der Geschehnisse in Kabul. Sonst ließe er sich wohl intensiver beschützen.

Afghanischer Senator und Ex-Talibanminister Rahmani

Der frühere Taliban-Minister Maulawi Arsala Rahmani bemüht sich um einen Kompromiss mit der Regierung Karsai.

(Foto: dpa)

In Rahmanis Wohnzimmer steht ein halbes Dutzend Sessel, bezogen mit Leder-Imitat. Ein Angestellter reicht Nüsse, Rosinen und grünen Tee. In einen Umhang gehüllt betritt der frühere Vize-Bildungsminister der Taliban das Zimmer, die Gebetskette in der Hand. Rahmani gilt als einer der Verbindungsmänner, der so gute Kontakte zu allen Seiten hat, dass er zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban Gespräche vermitteln könnte - wenn die Islamisten denn verhandeln wollten.

Bislang lehnen sie das strikt ab. Es ist das Wochenende nach der sogenannten Friedens-Dschirga in Kabul. Die internationale Gemeinschaft möchte das Treffen als einen Schritt auf dem Weg zum Frieden werten, die Menschen auf den Straßen Kabuls sind da wesentlich skeptischer. Sie hatten von Anfang an wenig Vertrauen in die dreitägige Veranstaltung, die zu großen Teilen von der Regierung gesteuert war. Und die Dschirga hat letztlich auch nichts empfohlen, was nicht schon zuvor an Vorschlägen auf dem Tisch gelegen hatte.

700 Raketen beschlagnahmt

Die Taliban haben das Dschirga-Zelt schon zum Auftakt der Versammlung beschossen, ihre Selbstmordattentäter losgeschickt, um zu unterstreichen, was sie von den angestrebten Verhandlungen der Karsai-Regierung halten: nichts. Und offenbar hatten die Islamisten wesentlich schwerere Attacken geplant. 15 ihrer Kämpfer seien vor der Versammlung festgenommen worden, teilte die Regierung mit. Und 700 Raketen habe man beschlagnahmt, die auf das Zelt gefeuert werden sollten.

Eine Sicherheitspanne, auf die der afghanische Innenminister und der Geheimdienstchef am Sonntag mit dem Rücktritt reagierten. Karsai habe die Rücktrittsgesuche von Minister Hanif Atmar und Geheimdienstchef Amrullah Saleh angenommen, erklärte das Büro des Präsidenten. Dennoch soll die Annäherung an die radikal-islamische Gruppe weitergehen. Die Bedingung der Taliban für ein mögliches Treffen sind unverändert: Erst müssten sich die ausländischen Truppen aus Afghanistan zurückziehen, was Präsident Hamid Karsai nicht akzeptieren kann, weil er politisch sonst nicht überleben könnte.

Ein gutes Signal

Auch wenn sich dies wie ein unüberbrückbarer Gegensatz anhört, Ex-Taliban-Minister Rahmani sagt, er sei "ein wenig optimistischer" nach der Dschirga. "Der Präsident wollte der Welt zeigen, dass die Afghanen Frieden wollen", sagt er, während zugleich am Handy mit Delegierten telefoniert, die sich von ihm verabschieden, bevor sie sich auf den Weg in ihre Heimatprovinz machen. Zudem habe Karsai viel über die Fehler der eigenen Regierung gesprochen, die den Taliban regen Zulauf beschert hätten. Das sei ein gutes Signal. Es sei logisch, dass die Aufständischen bislang keinen offenen Gesprächen über eine Aussöhnung zugestimmt hätten, schließlich stelle auch die andere Seite keinen Waffenstillstand in Aussicht.

Zwar ließen die Taliban erkennen, nicht ewig weiterkämpfen wollen, aber sie "befinden sich noch immer im Krieg", erläutert Rahmani, der "indirekte Kontakte" zur Führungsebene der Aufständischen unterhält, wie er sagt. Die Spitze der Islamisten säße weiterhin in den pakistanischen Städten Quetta und Peschawar, was verdeutliche, dass der Konflikt ohne eine Einbindung des Nachbarlandes und auch des Iran nicht gelöst werden kann. "Frieden in Afghanistan erreichen wir nicht allein durch eine nationale Dschirga in Kabul", sagt Rahmani.

Zwar binden die Empfehlungen der Friedens-Dschirga die afghanische Regierung nicht. Dennoch könnten sie dazu beitragen, dass Vertrauen der Taliban zu gewinnen, da ist sich der frühere Taliban-Minister sicher. Etwa die Forderung, Taliban-Vertreter von den schwarzen Listen der Vereinten Nationen streichen zu lassen. Entstanden ist das Dokument nach den Anschlägen vom 11. September 2001, der UN-Sicherheitsrat listet darin führende Taliban auf. Es ist nicht ganz uneigennützig, dass Rahmani diese Forderung der Dschirga unterstützt. Er ist selbst auf dem Dokument gelistet, das die Reisefreiheit einschränkt und Vermögen im Ausland einfriert.

Aus Sicht von Maulawi Arsala Rahmani müsste den kämpfenden Islamisten auch Straffreiheit angeboten werden. Zudem würden sie ihre Verbindung zum Terrornetzwerk al-Qaida nur kappen, wenn sie das Gefühl bekämen, von Pakistan nach Afghanistan zurückkehren zu können, ohne verfolgt zu werden, sagt Rahmani. Die Strategie der internationalen Gemeinschaft, weitere Offensiven gegen die Taliban anzukündigen, sei dagegen nicht hilfreich. "Einerseits will man Frieden, andererseits kämpft man weiter", sagt Rahmani. Das passe nicht zusammen. Der frühere Minister hebt die Hand. Keine weiteren Fragen, bitte. Er muss zum nächsten Termin.

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