Afghanistan-Debatte:SPD rät Merkel zum Rauswurf Guttenbergs

Der Bundestag verlängert das Afghanistan-Mandat, zuvor gibt es einen Schlagabtausch: SPD-Chef Gabriel watscht Verteidigungsminister Guttenberg ab, die Linke nennt den Einsatz "Terror" - und die FDP dankt der SPD.

Der Bundestag hat den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan um ein Jahr verlängert. 420 Abgeordnete stimmten für die Verlängerung bis zum 31. Januar 2012, 116 votierten dagegen. 43 Parlamentarier enthielten sich. Derzeit sind in Afghanistan etwa 4860 Bundeswehrsoldaten im Einsatz.

Attacken auf den Verteidigungsminister: SPD-Chef Sigmar Gabriel während seiner Rede im Bundestag

Attacken auf den Verteidigungsminister: SPD-Chef Sigmar Gabriel während seiner Rede im Bundestag

(Foto: dapd)

Vor der Abstimmung kam es zu einem heftigen Schlagabtausch. Im Zentrum stand neben dem Bundeswehreinsatz vor allem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der nicht nur wegen seiner Afghanistan-Politik, sondern wegen der Bundeswehr-Affären um geöffnete Feldpost, der Vorfälle auf der Gorch Fock und dem Tod eines Soldaten in der Kritik steht.

SPD-Chef Sigmar Gabriel legte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahe, sich von Guttenberg zu trennen. Guttenberg habe in den jüngsten Affären entweder Parlament und die Öffentlichkeit "hinters Licht geführt" oder er habe sein Ministerium nicht im Griff. Beides könne nicht geduldet werden, sagte Gabriel im Parlament. Da der Minister in den Affären mit Selbstverteidigung zu tun habe, sei jetzt die Kanzlerin gefordert.

Ausdrücklich rügte Gabriel eine "strategische Partnerschaft" zwischen dem Verteidigungsminister und der Bild-Zeitung. Dem Blatt könne daraus kein Vorwurf gemacht werden, sagte der SPD-Chef. Anders sehe es bei Guttenberg aus: "Der Minister verkauft dafür seine Mitarbeiter und Soldaten". Das könne die SPD nicht hinnehmen. Kritisch bewerte Gabriel die bisherige Amtsführung des Ministers. Immer mehr schäle sich beim Krisenmanagement von Guttenberg ein "Muster der raschen Schuldzuweisung" heraus, was letztlich nur der Bundeswehr schade. Den Kopf dafür müssten immer andere hinhalten. Die Streitkräfte brauchten aber keinen "schillernden Darsteller".

Und wenn jetzt das Verteidigungsministerium eine Generalinspektion der Truppe anordne, dann liege das "nahe am Generalverdacht". Für eine solche Unterstellung gebe es keine Grundlage. Guttenberg sollte einsehen, "moderne Führung sieht anders aus", und daraus die Konsequenzen ziehen, forderte Gabriel.

FDP attackiert Grüne

Gabriel kritisierte Guttenberg auch für seine Afghanistan-Politik. Indem er den konkreten Abzugsbeginn immer wieder infrage stelle, lasse Guttenberg eine "seltsame Distanz" zum Parlament und zur eigenen Regierung erkennen. Mit Blick auf die deutsche Afghanistan-Mission erklärte Gabriel, er halte einen weiteren Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch für erforderlich.

Ein abrupter Abzug würde die Chance des Landes auf eine friedliche Zukunft gefährden, sagte er in der Debatte zur Mandatsverlängerung der Bundeswehr. Dies müsse man auch der zweifelnden deutschen Bevölkerung klarmachen. Der Strategiewechsel in Afghanistan zeige trotz mancher Fehleinschätzungen in den vergangenen Jahren erste Erfolge. Nach Gabriels Worten wird die SPD darauf dringen, dass mit dem Abzug der ersten deutschen Soldaten schon in diesem Jahr begonnen wird. "Wer 2011 nicht anfängt, der wird auch 2014 noch da sein", erklärte er.

Die FDP attackierte Linke und Grüne. Fraktionschefin Birgit Homburger sagte, die Grünen wollten sich der Verantwortung entziehen und die Linke wolle den Einsatz mit Terrorismus gleichstellen. "Das ist unverantwortlich." Die Grünen wollen mehrheitlich nicht zustimmen. Homburger sieht Fortschritte beim Wiederaufbau in Afghanistan und hält eine Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen schon 2011 für machbar. Sie dankte der SPD, die mit Mehrheit zustimmen will.

Am Morgen äußerte sich FDP-Chef Guido Westerwelle ähnlich, er lobte im ZDF die SPD dafür, dass sie "unverändert zu ihrer Verantwortung" stehe.

Guttenbergs Sympathiewert sinkt

Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, forderte in seiner Rede im Bundestag erneut den vollständigen deutschen Abzug aus Afghanistan bis September. Die Kampftruppen sollten bereits im Mai zurückgeholt werden, sagte er. Gysi bezeichnete die gesamte Mission als gescheitert. Zehn Jahre nach Beginn des Einsatzes habe die Armut in dem Land zugenommen. Das Ansehen der Taliban sei in dieser Zeit gestiegen. "Wofür führen Sie eigentlich Krieg?", rief Gysi aus. Er forderte SPD und Grüne auf: "Treten Sie aus der Kriegskoalition aus." Gysi betonte: "Terrorismus kann man nicht mit der höchsten Form des Terrorismus, mit Krieg, bekämpfen."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin attackierte die Linke: "Wer einen Einsatz der Nato und einer Reihe weiterer Staaten - darunter viele muslimische Staaten - auf der Basis eines Mandates der Vereinten Nationen in eins setzt mit Terroristen und Verbrechern, der hat den Schuss nun wirklich nicht gehört." Er warf der Regierung aber ein schwammiges Mandat vor. Es sei unklar, wie lange Soldaten und Aufbauhelfer dort noch "in äußerster Gefahr" ihren Kopf hinhalten müssten. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte: "Deutschland ist zu einer kriegsführenden Nation geworden."

Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder verlangte schon vor der Debatte vom Ministerium eine bessere Informationspolitik. "Das war eine Riesenschlamperei", sagte er ZDF mit Blick auf die unvollständige Unterrichtung des Verteidigungsausschusses über den mysteriösen Unfalltod eines Soldaten in Afghanistan - eine Spitze gegen Minister Guttenberg.

Das Ansehen des schneidigen Christsozialen nimmt wegen der Bundeswehr-Affären Schaden, er bleibt aber der beliebteste deutsche Politiker. Nach dem aktuellen ZDF-Politbarometer bescheinigt ihm eine Mehrheit der Bürger einen guten Umgang mit den Vorfällen: Knapp zwei Drittel der Befragten finden zwar, er mache seine Sache bei der Klärung der Vorfälle eher gut. 24 Prozent bescheinigen ihm dagegen eher schlechte Arbeit. Guttenbergs Bewertung nach Sympathie und Leistung fiel allerdings auf der von plus fünf bis minus fünf reichenden Skala auf einen Wert von 1,9. Anfang Januar lag der CSU-Minister noch bei einem Wert von 2,5.

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