Afghanistan:Bundeswehr operierte auch ohne Mandat

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Ein ehemaliger Elite-Soldat der Bundeswehr erhebt schwere Vorwürfe gegen das Verhalten der Soldaten in Afghanistan: Sie sollen außerhalb des Mandatsgebietes gearbeitet haben. Auch von Sicherheitsmängeln im Camp Warehouse ist die Rede.

Mehrere Bundeswehrsoldaten sollen 2002 in Afghanistan mit Wissen ihrer Vorgesetzten außerhalb des vorgeschriebenen Mandatsgebietes operiert und damit gegen Vorgaben des Bundestages verstoßen haben.

Laut einem Vorabbericht des Hamburger Magazins stern, behauptet dies der frühere Bundeswehr-Elitesoldat Achim Wohlgethan, der im Jahr 2002 bei der Kabul-Brigade der Internationalen Sicherheitsbeistandtruppe ISAF für Sonderaufgaben eingesetzt wurde.

Er selbst habe "mindestens ein Dutzend Mal" außerhalb der sogenannten "Area of Responsibility" operiert, sagte Wohlgethan. Zu solchen Einsätzen sei er zum Beispiel von einem Bundeswehr-Major der Abteilung J2 aufgefordert worden, die bei ISAF für militärisches Nachrichtenwesen zuständig war.

Weitere Einsätze außerhalb des ISAF-Mandatsgebietes hätten er und weitere Soldaten der Bundeswehr an der Seite der niederländischen Korps "Commandotroepen" (KCT) durchgeführt. Zu dieser Spezialeinheit wurden Fallschirmjäger Wohlgethan und deutsche Fernspäh-Soldaten abgestellt, wie Dokumente der Bundeswehr und des niederländischen Heeres belegen.

Wohlgethan bestätigt überdies, dass er mit niederländischen Spezialkräften vor Ort war, als Anfang August 2002 südlich von Kabul zwölf Afghanen unter ungeklärten Umständen erschossen wurden.

Zudem berichtet der Ex-Stabsunteroffizier, wie er in Afghanistan für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) eingesetzt wurde. So seien er sowie deutsche Fernspähsoldaten im Jahr 2002 mit uniformierten deutschen Militärgeheimdienstlern in Kabul gegen angebliche Waffenhändler- und Labors vorgegangen. MAD-Operationen im Ausland sind erst seit 2004 gesetzlich erlaubt, und dies nur innerhalb dortiger Liegenschaften der Bundeswehr.

Achim Wohlgethan schied im Januar 2006 aus der Bundeswehr aus und arbeitet heute als Sicherheitsberater. Er ist Autor eines Buches mit dem Titel "Endstation Kabul", das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wird und aus dem der stern in dieser Woche vorab Auszüge veröffentlicht.

Darin berichtet Wohlgethan auch über den hohen Alkoholkonsum der Soldaten in Afghanistan: Es habe nicht einen einzigen Tag im Camp Warehouse gegeben, an dem die sogenannte "Zwei-Dosen-Regelung", nach der pro Bundeswehr-Soldat und Tag zwei Dosen Bier getrunken werden dürfen, eingehalten worden sei.

Außerdem habe es 2002 erhebliche Sicherheitsmängel gegeben. Es hätten Geräte, Waffen und Strategien gefehlt, um sich im Ernstfall zu verteidigen oder zu evakuieren. Das habe sich bis heute nicht wesentlich geändert, so Wohlgethan.

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