Afghanistan:Bundeswehr angeblich zufällig Anschlagsziel

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Ein Anschlag mitten in einem afghanischen Gouverneurssitz, ein Bundeswehrgeneral unter den Verwundeten, eine deutsche Soldatin ringt immer noch mit dem Tod - wie konnte der Selbstmordanschlag am Samstag passieren? Verteidigungsminister de Maizière verrät erste Erkenntnisse: Vermutlich wurden Taliban eingeschleust, ohne die Bundeswehr speziell im Visier zu haben.

So nahe sind die Taliban einem deutschen Kommandeur selten gekommen. Der verletzte Bundeswehrgeneral Markus Kneip wird nach dem Selbstmordanschlag vom Samstag in einem Feldlazarett behandelt - ihm gehe es dem Umständen ganz gut, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière. "Er ist ansprechbar." Einem Sprecher zufolge führt er weiter das Kommando der Internationalen Schutztruppe Isaf in Nordafghanistan - es gebe keine Pläne, das zu ändern. Isaf-Chef und US-General David Petraeus reiste am Sonntag nach Masar-i-Scharif, um Kneip zu treffen.

Minister de Maizière, General Kneip: Verwundet im Gouverneurspalast (Foto: Reuters)

Das Attentat im Gouverneurssitz der nordafghanischen Provinz Tachar galt de Maizère zufolge nicht Deutschland speziell: "Es spricht (...) einiges dafür, dass nicht Deutschland und nicht der deutsche Kommandeur das Ziel dieses Anschlags war", sagte der CDU-Politiker. Bei dem Anschlag mitten in dem gesicherten Gebäude wurden zwei Bundeswehrsoldaten getötet und fünf Kameraden verletzt, darunter General Kneip, der Isaf-Regionalkommandeur für Nordafghanistan. Eine Frau sei "wirklich sehr schwer verletzt", sagte de Maizière: "Da wissen wir nicht, wie es im einzelnen ausgeht." Er sprach von "bitteren Stunden vor allem für die Angehörigen und Freunde der gefallenen Soldaten".

Die Zahl der Täter ist dem Minister zufolge unbekannt: "Manche sprechen von einem, manche sprechen von zwei, manche sprechen von bis zu vier." Es deute allerdings viel darauf hin, dass ein bis zwei Täter Uniformen von Sicherheitskräften trugen. Unklar sei, ob sie sich diese besorgt hätten oder zu den Sicherheitskräften gehörten: "Das muss erst nach und nach aufgeklärt werden."

Außer den deutschen Soldaten sind bei dem Attentat mindestens fünf weitere Menschen ums Leben gekommen. Unter den Toten sind der Polizeikommandeur für den Norden des Landes, Daud Daud, sowie der Polizeichef der Provinz Tachar, Schah Dschahan Nuri. Der deutsche General Kneip wurde verletzt, ebenso Gouverneur Abdul Jabar Taqwa und sieben weitere Menschen.

Taqwa trat am Sonntag mit Verbänden an den Händen und im Gesicht in der Provinzhauptstadt Talokan vor die Medien. Ermittler versuchten herauszufinden, wie es zu dem Anschlag an seinem schwer gesicherten Sitz habe kommen können, sagte er. Schon zuvor hätten Geheimdienste Informationen auf geplante Selbstmordanschläge in der Provinz gehabt.

General Salmai Wesa, Kommandeur der afghanischen Armee für die Nordregion, verwies auf "erste Informationen", nach denen "der Attentäter eine Uniform der Sicherheitskräfte trug". Einem Angehörigen der Sicherheitskräfte zufolge war es eine Polizeiuniform. Teilnehmer des Treffens am Gouverneurssitz sagten, der Selbstmordattentäter habe zu den Sicherheitskräften gehört, die das Treffen hätten schützen sollen. Als die Teilnehmer den Konferenzraum verlassen hätten, sei er auf die Gruppe zugegangen und habe seinen Sprengstoff gezündet. Polizeisprecher Lal Mohammad Ahmadsai sagte dagegen, es sei zu früh, um etwas zur Explosionsursache zu sagen. Womöglich sei Sprengstoff im Gebäude versteckt gewesen.

Die Taliban haben sich zu dem Anschlag bekannt.

Minister de Maizière will die Partnerschaftsstrategie der Bundeswehr in Afghanistan trotz des Anschlags weiter verfolgen. Man dürfe sich von dem Geschehenen zwar "beeindrucken, aber nicht im Kurs davon abbringen lassen". Das Partnering, die enge personelle Zusammenarbeit von Deutschen und Afghanen bei der Bekämpfung der radikalislamischen Taliban, sei der einzige Weg, wenn "wir die Sicherheit allmählich in afghanische Hände übergeben wollen". Die Gespräche vor dem Anschlag seien gar keine klassische Partnering-Aktion gewesen, es hätten nur afghanische Verantwortliche, Gouverneure, Polizeichefs und Isaf-Kommandeure das kommende halbe Jahr besprechen wollen.

Seit Beginn des deutschen Afghanistan-Einsatzes 2002 sind 51 Bundeswehrsoldaten gestorben, 33 bei Anschlägen und Gefechten.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/hai/plö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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