Afghanistan: Bericht der Bundesregierung:Schlechte Noten für Karsai

Geringe Fortschritte, anhaltende Korruption, mangelhafte Wahlen: Vor der Verlängerung des Bundeswehr-Mandats legt die Bundesregierung einen Lagebericht zu Afghanistan vor. Das Ergebnis ist für Präsident Hamid Karsai wenig schmeichelhaft.

Daniel Brössler

Die Bundesregierung ist unzufrieden mit der Führung Afghanistans unter Präsident Hamid Karsai. "Nach wie vor sind die Fortschritte im Bereich gute Regierungsführung gering", heißt es in einem Bericht, der am Montag allen Bundestagsabgeordneten vorgelegt werden soll.

Angela Merkel, Hamid Karzai

Kanzlerin Angela Merkel und Hamid Karsai bei einer Pressekonferenz im Mai 2009: Ein Lagebericht der Bundesregierung stellt dem afghanischen Präsidenten ein schlechtes Zeugnis aus.

(Foto: AP)

Erstmals veröffentlicht die Bundesregierung damit einen umfassenden Fortschrittsbericht über die Lage in Afghanistan. Dieser war von den Parlamentariern angemahnt worden, um über eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Verlängerung des Mandats für den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch zu verfügen.

"Ungeschminkt und ehrlich"

Am Donnerstag will Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in einer Regierungserklärung für eine Mandatsverlängerung werben. Der Bundestag wird voraussichtlich im Januar darüber entscheiden.

In dem Bericht wird auf die anhaltende Korruption in Afghanistan verwiesen und ein Appell an die afghanische Regierung geäußert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Im Zusammenhang mit den unter erheblichem Fälschungsverdacht stehenden Parlamentswahlen wird lobend hervorgehoben, dass die Kritik von Einheimischen an Mängeln im Land sehr wohl möglich war - und in den Bericht mit aufgenommen werden konnte.

Gegliedert ist die etwa 100 Seiten starke Abhandlung in die Bereiche Sicherheit, Staatsaufbau und Regierungsführung sowie Wiederaufbau und Entwicklung. Westerwelle habe auf eine "ungeschminkte und ehrliche Bestandsaufnahme" gedrungen, hieß es im Auswärtigen Amt.

Verhandlungen mit den Taliban nötig

Mit militärischen Mitteln sei der Konflikt in Afghanistan nicht zu gewinnen, wird nach Informationen aus Regierungskreisen in dem Fortschrittsbericht festgestellt. Nötig seien Verhandlungen mit den Aufständischen, der "Insurgenz", wie es im Bericht formuliert wird.

Die Voraussetzungen dafür seien bereits geschaffen. Die Regierung hat Verhandlungen mit Aufständischen begonnen. Bei einer künftigen Beteiligung der Taliban an der Macht dürfen nach Auffassung westlicher Staaten aber bestimmte Errungenschaften, etwa im Bereich der Frauenrechte, nicht aufgegeben werden. Auch der Fortschrittsbericht erwähnt diese "roten Linien".

Was die schrittweise Übergabe der Verantwortung von der Internationalen Schutztruppe Isaf an die Afghanen angeht, hält sich die Bundesregierung in ihrem Bericht an die bekannten Jahreszahlen. Sie sehen die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in den ersten nördlichen Landstrichen schon im kommenden Jahr vor, im ganzen Land dann im Jahr 2014. Dies bedeutet aber nicht den Abzug der westlichen Truppen einschließlich der Bundeswehr.

Dynamische Wirtschaft

Verwiesen wird in dem Bericht auf bescheidene wirtschaftliche Erfolge: Immer noch sei Afghanistan zwar eines der ärmsten Länder der Welt; vom niedrigsten Ausgangspunkt aus gebe es seit 2002 aber eine dynamische Wirtschaftsentwicklung. Verbesserungen seien bei der Kohleförderung, den Exporten und auch beim Pro-Kopf-Einkommen zu verzeichnen.

Insgesamt gibt der Bericht Auskunft über 27 Themenbereiche. Entstanden ist er unter Federführung des Auswärtigen Amtes mit Beteiligung des Kanzleramtes, des Verteidigungsministeriums, des Justiz- und des Entwicklungshilfeministeriums. Beteiligt waren etwa 100 Beamte, darunter auch in Kabul und in den Wiederaufbau-Teams in Afghanistan.

An der endgültigen Fassung wurde am Freitag nach Informationen der Süddeutschen Zeitung noch gearbeitet. Nicht durchgesetzt haben sich SPD und Grüne mit ihrer Forderung nach der Einbindung einer unabhängigen Expertenkommission. Dies wurde vor allem von der Union abgelehnt.

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