AufnahmeprogrammErneut Flugzeug mit Afghanen in Leipzig gelandet

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Die von der Bundesregierung gecharterte Maschine am Mittwochabend auf dem Flughafen Leipzig/Halle.
Die von der Bundesregierung gecharterte Maschine am Mittwochabend auf dem Flughafen Leipzig/Halle. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

An Bord sind knapp 140 Menschen, denen die Bundesregierung vor Längerem zugesagt hat, sie in Deutschland aufzunehmen – ein Drittel von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Der Streit über dieses Programm geht weiter.

Am Flughafen Leipzig/Halle ist am Abend ein Flugzeug mit 138 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen gelandet. Laut Bundesinnenministerium sind darunter 45 Kinder und Jugendliche. 76 Personen seien weiblich, 62 männlich. Nach Angaben des Auswärtigen Amts handelt es sich bei den Passagieren um Menschen aus verschiedenen Programmen, die eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage erhalten haben.

Das von der Bundesregierung gecharterte Flugzeug war in Islamabad in Pakistan gestartet. „Es liegen in diesen Fällen konkrete, bereits in der Vergangenheit gegebene Aufnahmezusagen Deutschlands vor“, betonte ein Sprecher des Innenministeriums. Neue Zusagen würden nicht erteilt. Aus Gründen der inneren Sicherheit werde jede einzelne Person vor einer möglichen Einreise überprüft.

Es ist der vierte entsprechende Flug in diesem Jahr. Etwa 2600 besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan warten nach Angaben des Auswärtigen Amts derzeit in Pakistan auf ihre Aufnahme in Deutschland. Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollen auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben.

Politiker der Union hatten empört auf die noch für April geplanten Flüge reagiert. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen.“ Darauf verwies der CDU-Innenexperte Alexander Throm. Die geschäftsführende Außenministerin Annalena Baerbock wolle offensichtlich Fakten schaffen, bevor die neue Bundesregierung im Amt, kritisierte er in der ARD.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn sagte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“: „Jeder Flieger aus Afghanistan ist ein stärkeres AfD-Unterstützungsprogramm, als es jeder Vorsitz in irgendeinem Ausschuss sein könnte.“ Die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) schloss nicht aus, dass Deutschland weitere Menschen aus Afghanistan aufnimmt. Sie verwies in der Sendung auf rechtliche Fragen und auch mögliche Absprachen mit Bündnispartnern. „Da wäre ich vorsichtig zu sagen, dass gar nichts mehr stattfindet“, sagte Bas. Auch finde sie Hilfe für jene, die für Deutschland den Kopf hingehalten hätten, richtig, fügte sie mit Verweis auf die ehemaligen Ortskräfte hinzu.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz betonte: „Es geht hier um Menschen, die äußerst intensiv und gleich von mehreren deutschen Behörden sicherheitsüberprüft sind. Sie haben eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage von Deutschland“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das Aufnahmeprogramm abzuwürgen bedeute, eingegangene Verpflichtungen wissentlich zu brechen und Humanität über Bord zu werfen.

Laut dem Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte, das sich um Afghaninnen und Afghanen kümmert, die bis 2021 in ihrem Heimatland für die Bundeswehr, das Auswärtige Amt oder das Entwicklungshilfeministerium gearbeitet haben und deshalb besonders gefährdet sind, warten noch 500 Ortskräfte in Islamabad, der Hauptstadt von Pakistan, weitere knapp 100 in Afghanistan. In Islamabad könnten sie bald erheblich unter Druck geraten: Das Land hat Anfang April mit einer neuen Abschiebungswelle begonnen und will langfristig drei Millionen Afghanen und Afghaninnen ausweisen – laut Regierung auch solche, die in Pakistan auf eine Ausreise in westliche Länder warten.

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