Afghanistan: Antrittsrede von Karsai:Westerwelle: Jetzt müssen Taten folgen

Der afghanische Präsident Hamid Karsai spricht in seiner Antrittsrede vom Kampf gegen Terror, Drogen, Korruption - und von Versöhnung. Bundesaußenminister Westerwelle lobt seine Worte. Doch der Westen setzt den Präsidenten auch unter Druck.

Anfangs erlebt Guido Westerwelle einen Morgen wie aus dem Bilderbuch. Für den Anflug auf Kabul hat sich der neue Außenminister in der Bundeswehr-Transall ins Cockpit gesetzt. Der erste Sonnenaufgang über dem Hindukusch - einer der Momente, den man zeit seines Lebens nicht vergisst.

Afghanistan: Antrittsrede von Karsai: Hamid Karsai (rechts), neben seinem Vizepräsidenten Qasim Fahim,  sprach sich bei seiner Antrittsrede für eine Große Ratsversammlung zur Versöhnung mit den Aufständischen im Land aus.

Hamid Karsai (rechts), neben seinem Vizepräsidenten Qasim Fahim, sprach sich bei seiner Antrittsrede für eine Große Ratsversammlung zur Versöhnung mit den Aufständischen im Land aus.

(Foto: Foto: AFP)

Aber dann holt den Vizekanzler am Donnerstag bei seinem bislang schwierigsten Antrittsbesuch schnell die Realität ein. Noch im Flugzeug muss Westerwelle eine kiloschwere Splitterschutzweste anlegen. Der Rest der Delegation darf bis nach der Landung warten.

Westerwelle war am Donnerstag zu einem unangekündigten Blitzbesuch in Afghanistan eingetroffen. Der Grund: Der afghanische Präsident Hamid Karsai wurde für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren vereidigt. Hunderte geladene Gästenund Vertreter aus 40 Ländern waren zur Vereidigung Karsais auf das Gelände des Präsidentenpalastes in Kabul gekommen. Auch Westerwelle nahm an der Zeremonie teil.

Der 51-jährige Patschune steht zu Beginn seiner zweiten Amtszeit unter großem Druck. Die Präsidentschaftswahl im August war von massivem Wahlbetrug begleitet. Eine Stichwahl, der Karsai auf internationalen Druck hin zugestimmt hatte, entfiel, nachdem sich der Herausforderer Abdullah Abdullah zurückzog. Er hatte die rechtmäßige Durchführung der Stichwahl in Frage gestellt.

Im Video: In Afghanistan ist Präsident Hamid Karsai für eine zweite Amtszeit vereidigt worden. An der Zeremonie in Kabul nahm auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle teil.

Weitere Videos finden Sie hier

In seiner Rede zur Amtseinführung musste Karsai mindestens zwei Öffentlichkeiten zufriedenstellen: Die afghanische, die sich nach Sicherheit und Wohlstand sehnt, und die internationale, die einen entschlossenen Kampf gegen Korruption, Drogenhandel und Taliban fordert. Afghanistan gehört immer noch zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, Gewalt und Angriffe der Taliban haben zuletzt stark zugenommen.

"Die höchste Manifestation des Willens des afghanischen Volkes"

Karsai sprach sich für eine Loja Dschirga zur Versöhnung mit den Aufständischen im Land aus. Die Große Ratsversammlung solle dazu dienen, den Frieden in Afghanistan nach 30 Jahren Krieg wieder herzustellen, so Karsai. Die Loja Dschirga ist laut Verfassung "die höchste Manifestation des Willens des afghanischen Volkes". Karsai kündigte außerdem einen verstärkten Kampf gegen die Korruption an.

Unter dem Beifall der 500 Ehrengäste betonte Karsai, er wolle in seinem künftigen Kabinett kompetente Experten-Minister einsetzen. Weiter kündigte der Präsident an, dass Afghanistans Sicherheitskräfte bald die Verantwortung für bislang instabile Landesteile übernehmen sollen. Dies solle innerhalb von drei Jahren geschehen. Karsai zeigte sich zuversichtlich, dass der Kampf gegen den Terrorismus gewonnen werde.

Außerdem versprach er ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption und Drogenkriminalität. "Korruption ist ein gefährliches Problem", sagte Karsai. In Kabul soll es seinen Angaben zufolge bald eine Konferenz zu neuen Wegen im Kampf gegen die Korruption geben. Die "Kultur der Straflosigkeit" in seinem Land werde bald zu Ende gehen.

Karsai regiert Afghanistan seit dem Sturz der Taliban Ende 2001. Zunächst wurde er auf einer internationalen Konferenz auf dem Bonner Petersberg als Leiter einer Übergangsregierung eingesetzt, später bestätigte ihn die Loja Dschirga im Amt. 2004 wurde er erstmals vom Volk gewählt.

Westerwelle will Karsai beim Wort nehmen

Außenminister Guido Westerwelle begrüßte die Antrittsrede Karsais. "Das war eine Rede mit den richtigen Schwerpunkten, die unsere Erwartungen erfüllt", sagte Westerwelle nach der Vereidigung. "Wir werden Präsident Karsai beim Wort nehmen und setzen darauf, dass den richtigen Worten jetzt auch die richtigen Taten folgen."

Aus deutschen Diplomatenkreisen hieß es, der Zeitraum von fünf Jahren bis zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch afghanische Kräfte decke sich mit den Erwartungen der Bundesregierung. Am Nachmittag ist ein Gespräch zwischen Westerwelle und Karsai geplant.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte zuvor bekräftigt, dass Karsai nach seiner von Fälschungen überschatteten Wiederwahl in der Bringschuld stehe. Die internationale Gemeinschaft werde die neue afghanische Regierung weiter unterstützen. Bedingung sei aber, dass Karsai die afghanischen Sicherheitskräfte entschlossener aufbaue und spürbare Verbesserungen im Alltagsleben der Bevölkerung erreiche.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gratulierte dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai zur Vereidigung und erinnerte ihn daran, dass die internationalen Soldaten das Land wieder verlassen wollen. "Eine Übergangsphase hat begonnen. Die Afghanen werden zunehmend die Führungsrolle in ihren eigenen Angelegenheiten übernehmen", heißt es in einer Erklärung Rasmussens in Brüssel.

"Die Nato wird durch die internationale Schutztruppe Isaf mit der neuen Regierung daran arbeiten, die afghanischen Sicherheitskräfte dazu in die Lage zu versetzen, die Führungsverantwortung für die Sicherheit ihres Landes zu übernehmen", schrieb Rasmussen. Dies werde "Distrikt für Distrikt, Provinz für Provinz, wenn die Umstände es erlauben" geschehen. Die von der Nato geführte Isaf hat derzeit rund 71.000 Soldaten in Afghanistan stationiert.

Bereits am Mittwoch waren die Sicherheitsvorkehrungen in Kabul wegen der bevorstehenden Zeremonie der Amtseinführung Karsais deutlich verschärft worden. Die Patrouillen der Sicherheitskräfte wurden verstärkt, Hubschrauber kreisten über der Stadt. Die zu ausländischen Botschaften führenden Straßen wurden gesperrt. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, am Donnerstag zu Hause zu bleiben, um den Verkehr zu verringern und Kontrollen zu erleichtern. Der Linienflugverkehr von und nach Kabul wurde für den Donnerstag eingestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: