Afghanistan:Anschlag auf Hochzeit

Ein Selbstmordattentäter tötet in Kabul mehr als 60 Menschen. Dahinter soll der Islamische Staat (IS) stecken.

Von Tomas Avenarius

An Afghan boy mourns during the funeral of his brother after a suicide bomb blast at a wedding in Kabul

Angehörige bei der Beerdigung der Opfer des Attentats auf eine Hochzeitsgesellschaft in Kabul.

(Foto: Omar Sobhani/Reuters)

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft sind in Afghanistans Hauptstadt Kabul mindestens 63 Menschen getötet worden. Während die Taliban jede Verantwortung für das Blutbad zurückwiesen, bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu dem Bombenattentat auf die schiitische Familienfeier mit mehr als eintausend Teilnehmern. Der IS sprach von einem Angriff auf "Ungläubige". Neben den mindestens 63 Todesopfern soll es auch noch mehr als 182 Verletzte gegeben haben.

Das Attentat fällt in eine Zeit, in der sich die Gespräche der Taliban mit der US-Regierung in der katarischen Hauptstadt Doha einem Ergebnis nähern. Präsident Donald Trump will den seit 18 Jahren anhaltenden Einsatz der US-Armee beenden und zumindest große Teile seiner Truppen zurückholen. Die Taliban-Islamisten, die die US-Truppen bekämpfen, sollen im Gegenzug an der Macht in Kabul beteiligt werden. Sie sollen aber garantieren, dass von dem Land am Hindukusch kein Terror mehr ausgeht, wie dies am 11. September 2001 der Fall war.

Viele Kinder sterben, weil der Selbstmordattentäter die Bombe vor der Bühne mit Musikern zündet

Daher erscheint es naheliegend, dass nicht die Taliban, sondern der Islamische Staat Urheber des Attentats auf die schiitische Hochzeitsgesellschaft ist. Die Hochzeit hatte in der riesigen angemieteten Hochzeitshalle "Dubai City" in einem Schiiten-Viertel im Westen der Hauptstadt stattgefunden; der Selbstmordattentäter hatte seinen Sprengstoffgürtel offenbar kurz vor 23 Uhr direkt vor einer Bühne mit Musikern gezündet. Unter den Toten sind einem Regierungssprecher zufolge viele Frauen, Kinder und Jugendliche. Ein Überlebender sagte der Nachrichtenagentur AP, bis zu 1200 Menschen hätten sich bei der Hochzeit versammelt. Da die Bombe direkt vor der Bühne gezündet worden sei, seien vor allem auch viele dort versammelte Kinder umgekommen.

Der radikal-sunnitische IS, der in Afghanistan seit einigen Jahren stärker wird, setzt ganz gezielt auf den Konflikt zwischen den muslimischen Konfessionen der Sunniten und Schiiten. Er attackiert daher immer wieder Schiiten der afghanischen Volksgruppe Hazara. Unklar blieb, ob nach dem Attentat beim Eintreffen von Polizei und Helfern auch noch eine Autobombe gezündet worden ist, wie dies der IS behauptet. Das afghanische Innenministerium bestätigte nur das Selbstmordattentat in der Hochzeitshalle.

Der Kabuler Anschlag war nicht der erste Angriff des IS auf eine Hochzeitsgesellschaft, es war aber die tödlichste Attacke in Afghanistan seit Jahresbeginn. In der Botschaft des Islamischen Staats, die auf einer der Terrormiliz nahestehenden Internetseite erschien, hieß es, ein pakistanischer IS-Kämpfer habe "als Märtyrer" sterben wollen und die Schiiten-Hochzeit daher angegriffen.

Die ebenfalls sunnitischen Taliban, die in der Vergangenheit selbst immer wieder schwere Anschläge in der Hauptstadt und auch gezielt gegen Schiiten verübt hatten, verurteilten die Tat hingegen als "verboten und nicht zu rechtfertigen". Der Grund dafür dürfte sein, dass die Taliban-Islamisten nach monatelangen Gesprächen mit der US-Regierung einer Einigung zur Beendigung des Konflikts inzwischen recht nahe gekommen sind. Hauptthemen in Doha sind der den amerikanischen Wählern von Präsident Trump versprochene Abzug der US-Truppen nach 18 Jahren Krieg; die USA sollen sich dabei auf einen Zeitplan für den phasenweisen Abzug ihrer Soldaten verpflichten.

Im Gegenzug sollen die Taliban garantieren, dass Afghanistan nicht erneut zum Ausgangsort für globale Terroranschläge wird. Zudem sollen sie eine dauerhafte Waffenruhe ausrufen und Gespräche mit der amtierenden, frei gewählten afghanischen Regierung in Kabul aufnehmen. Die Doha-Verhandlungen beziehen die derzeitige afghanische Regierung allerdings bestenfalls am Rande ein, die Taliban erkennen diese bisher nicht einmal an. Präsident Aschraf Ghani bezog nach dem Anschlag auf die Hochzeitsgesellschaft daher eindeutig Stellung und twitterte: "Die Taliban können sich nicht von Schuld frei sprechen, da sie eine Plattform für Terroristen bieten".

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