Affront bei Merkel-Besuch in China:Peking verhindert Treffen der Kanzlerin mit Regimekritikern

Als "alte Freundin Chinas" wird Angela Merkel in Peking hofiert, doch im Hintergrund verhindert das Regime geplante Treffen mit Regierungsgegnern. Am Ende muss die Kanzlerin selbst Kritik einstecken.

Die chinesische Staatssicherheit hat ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit dem prominenten Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping in Peking verhindert. Offenbar auf politischen Druck platzte außerdem ein gewünschtes Gespräch mit Redakteuren der kritischen Zeitung Nanfangzhoumo in der südchinesischen Metropole Guangzhou (Kanton).

Bundeskanzlerin Angela Merkel in China

Bundeskanzlerin Merkel trifft den chinesischen Premierminister Wen Jiabao.

(Foto: dpa)

Mo Shaoping wurde nach eigenen Angaben von der Polizei an einem Treffen gehindert. Er sei zu dem Empfang in der deutschen Botschaft eingeladen worden, an dem auch Merkel teilnehmen sollte, sagte Mo der Nachrichtenagentur AFP. Die Polizei sei jedoch in sein Büro gekommen und habe seinen Aufbruch dorthin verhindert. Beamte seien ohne rechtliche Grundlage drei Stunden in dem Büro geblieben, sagte er. Mo hatte unter anderen den inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und den Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng vertreten.

Auf der zweiten Station ihrer China-Reise wollte Merkel an diesem Samstag eigentlich die Nanfang-Zeitungsgruppe besuchen. Doch am Freitag berichteten informierte Kreise, der angefragte Termin komme definitiv nicht zustande. Die Hintergründe sind unklar. "Die Zeitung hat den Besuch abgesagt", erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus der Delegation. "Jetzt kann sich jeder seinen Reim darauf machen." Chinesische Quellen deuteten an, es habe politischen Druck gegeben. Das Informationsmaterial für die Reise beschrieb die populäre Wochenendzeitung Nanfangzhoumo als "kritisch reflektierendes" Blatt. Die Zeitungen in der Südprovinz hätten den Ruf einer "oft freimütigen Berichterstattung".

Gleichzeitig muss die Kanzlerin Kritik einstecken, nicht deutlich genug für die Menschenrechte einzutreten. "Jetzt sprechen sie über Geld und ihre Interessen, aber nicht über Gerechtigkeit und Menschenrechte", sagte der Bürgerrechtler Li Jinping. "Die deutsche Regierung hat aufgehört, die Menschenrechtsprobleme in China zu kritisieren." Der 47-Jährige war erst im Juli nach neun Monaten Haft und Misshandlungen in der Psychiatrie freigekommen.

Der Menschenrechtsexperte der Grünen, Volker Beck, sprach in einer Mitteilung von verpassten Chancen: "In vorauseilendem Gehorsam hat sich die Kanzlerin einmal mehr an der Nase herumführen lassen." Es reiche nicht, das Wort Menschenrechte ein paar Mal fallen zu lassen. Die Kanzlerin hangele sich "von Phrase zu Phrase".

Regierungskreise wiesen die Vorwürfe zurück. Die Kanzlerin habe die Menschenrechte klar angesprochen. Auch sei eine Liste mit 20 Fällen verfolgter Bürgerrechtler übergeben worden. Am Rande eines Empfangs habe sich Merkel außerdem länger mit einem Chefredakteur eines kritischen Wochenmagazins über die Meinungsfreiheit in China ausgetauscht, hieß es aus Delegationskreisen.

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