Affäre Litwinenko:Polonium-Spuren auch bei sieben Hotelangestellten

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Die Hotelmitarbeiter sind durch die Kontamination nicht akut bedroht, dagegen soll ein Kontaktmann Litwinenkos in Lebensgefahr schweben. Auch die russischen Behörden sprechen nun offiziell von Mord.

In der Affäre um den Gifttod des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko sind auch bei sieben Angestellten eines Londoner Luxus-Hotels Spuren der radioaktiven Substanz Polonium 210 entdeckt worden. Dies berichtete die BBC am Donnerstag unter Berufung auf die britischen Gesundheitsbehörden.

Die Substanz sei im Urin der Angestellten jedoch nur in "sehr geringfügiger Menge" gefunden worden. Für die Mitarbeiter des "Millennium Hotels" im Londoner Stadtteil Mayfair besteht nach erster Einschätzung keine akute Gefahr.

Über den Zustand eines Kontaktmannes des Ex-Agenten Litwinenko gibt es hingegen widersprüchliche Informationen. Nach einem Bericht der Agentur Interfax fiel der frühere Geheimdienstler und jetzige Geschäftsmann Dimitri Kowtun in der russischen Hauptstadt ins Koma und schwebt in Lebensgefahr.

Dem widersprach Andrej Romaschow, Anwalt des dritten in die Affäre verwickelten Ex-Spions Andrej Lugowoj. Er habe mit Kowtuns Verteidigern gesprochen und diese hätten ihm versichert, ihr Mandant sei im selben Zustand wie vor der Befragung

Befragung aus "technischen Gründen" verschoben

Vor der angeblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes beantwortete Kowtun in einem Moskauer Krankenhaus Fragen russischer und britischer Ermittler. Kowtun, der angeblich über Hamburg anreiste, und Lugowoj hatten sich am 1. November im Londoner Hotel "Millennium" mit Litwinenko getroffen. Dabei könnte Litwinenko vergiftet worden sein.

Litwinenko war am 23. November an einer Vergiftung mit dem radioaktiven Polonium 210 gestorben. Nach einer muslimischen Trauerfeier wurde Litwinenko am Donnerstag in London beigesetzt. Für Litwinenko fand in London eine muslimische Trauerfeier statt, auch wenn sein Freund Alexander Goldfarb öffentlich dementierte, dass der Ex-Agent zum Islam übergetreten sei. Nach der Trauerfeier in der zentralen Moschee von London fand Litwinenko seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Highgate, auf dem auch der kommunistische Vordenker Karl Marx begraben liegt. Der Leichnam wurde wegen der immer noch starken Strahlung in einem speziell gesicherten Sarg beigesetzt.

Die russische Justiz eröffnete unterdessen ein eigenes Strafverfahren in dem Fall und schloss ihrerseits Ermittlungen in London nicht aus. Wie tags zuvor die britischen Fahnder stufte auch die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau den Fall als Mord ein.

"Bei Dimitri Kowtun wurde eine Krankheit festgestellt, die mit der Vergiftung durch radioaktive Nuklide im Zusammenhang steht", erklärte die russische Generalstaatsanwaltschaft. Betroffen seien Magen und Darm, was davon zeuge, dass er wie Litwinenko durch Essen oder Trinken vergiftet worden sei. Deshalb ermittele die Behörde wegen versuchten Mordes.

Ein weiterer mit Polonium 210 kontaminierter Kontaktmann Litwinenkos, der Italiener Mario Scaramella, war in London ohne Anzeichen einer Erkrankung aus dem Krankenhaus entlassen worden. Den britischen Ermittlern in Moskau gelang es am Donnerstag nicht, den Hauptzeugen Lugowoj zu befragen.

Die russischen Behörden hätten die Befragung "aus technischen Gründen" verschoben, teilte Anwalt Romaschow mit. Lugowoj hat die deutlichste Spur von Polonium 210 durch London gezogen. Die Substanz fand sich in den Flugzeugen, die er für die Reise benutzt hatte, wie in seinem Hotelzimmer.

Lugowoj sagte in einem Interview, dass Litwinenko, Kowtun und er selbst auch am 17. Oktober in London im Büro der Sicherheitsfirma Erinys zusammengekommen seien. Dort hatten britische Experten ebenfalls Spuren von Polonium entdeckt. Die Vergiftung des Exilanten und Kreml-Kritikers Litwinenko könnte demnach bereits früher als am 1. November erfolgt sein.

Der russische Ex-Regierungschef Jegor Gaidar führte unterdessen seine rätselhafte Erkrankung während einer Reise nach Irland ebenfalls auf einen Giftanschlag zurück. Daran könne allerdings nicht die russische Führung schuld sein, schrieb er in einem Artikel für die Zeitungen Wedomosti (Moskau) und Financial Times (London). Als Drahtzieher vermute er Feinde der gegenwärtigen russischen Führung, die einen Keil zwischen Russland und den Westen treiben wollten. "Ich habe nur wie durch ein Wunder überlebt", erklärte der liberale Wirtschaftsfachmann.

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