Affäre "Gürtel":Rajoy bestreitet Kenntnis über Korruption in seiner Partei

Spain's Prime Minister Mariano Rajoy is seen on a video screen in the press area as he testifies as a witness in the Gurtel corruption trial in San Fernando de Henares

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy bei seiner Zeugenaussage - auf einer Videoleinwand im Pressebereich.

(Foto: REUTERS)
  • Als Zeuge in einem großangelegten Korruptionsprozess bestreitet Spaniens Premier Rajoy, von illegalen Machenschaften in seiner konservativen Partei gewusst zu haben.
  • Als früherer Generalsekretär der Partei habe er sich nicht mit Details der Buchführung befasst, sagt er.
  • Der Prozess gegen das Netzwerk "Gürtel" dreht sich um Korruption während des Baubooms in Spanien zwischen 1999 und 2007.

Von Thomas Urban, Madrid

Der spanische Premierminister Mariano Rajoy hat als Zeuge in einem großen Korruptionsverfahren erwartungsgemäß jegliches Wissen über illegale Machenschaften in der von ihm geführten konservativen Volkspartei (PP) bestritten. Es handelte sich um den 101. Verhandlungstag des Prozesses gegen das Netzwerk "Gürtel" aus Regional- sowie Lokalpolitikern und mehreren Geschäfstleuten vor allem aus der Baubranche.

Ihnen wird vorgeworfen, während des großen Baubooms zwischen 1999 und 2007 systematisch große Infrastrukturprojekte, die meist von der EU mitfinanziert wurden, zu exorbitant überhöhten Preisen abgerechnet zu haben. Die Überschüsse seien in die Privatschatullen der angeklagten Politiker sowie in eine schwarze Kasse der PP geflossen.

Bei dem deutschen Codewort "Gürtel" handelt es sich um die Übersetzung des Familiennamens des Hauptbeschuldigten, des Geschäftsmanns Francisco Correa. Ein Zusammenhang zur deutschen Geschäftswelt oder Politik wurde in dem Prozess allerdings nicht bekannt, so dass die Wahl eines deutschen Begriffs für eine innerspanische Angelegenheit ein Kuriosum bleibt.

Rajoy erklärte im Gericht von San Fernando de Henares bei Madrid, als Generalsekretär der Partei habe er sich nicht mit Details der Buchführung befasst. Er wiederholte seine frühere Darstellung, dass die handschriftlichen Listen über Barzahlungen an hohe Parteifunktionäre, die die Presse vor drei Jahren publizierte, offenkundige Fälschungen seien.

Die Listen werden dem damals vorübergehend inhaftierten PP-Schatzmeister Luis Bárcenas zugeschrieben. Gegen diesen läuft ein getrenntes Verfahren, er soll nicht nur die schwarzen Kassen der Partei gefüllt, sondern auch 22 Millionen Euro an Schwarzgeld auf seine Privatkonten in der Schweiz umgelenkt haben.

Podemos-Chef nennt Rajoy unglaubwürdig

Der Vorsitzende der linksalterativen Gruppierung Podemos, Pablo Iglesias, bezeichnete die Aussagen Rajoys als völlig unglaubwürdig. Er werde mit dem Chef der sozialistischen Opposition, Pedro Sánchez, beraten, wie die PP aus der Regierung verdrängt werden könne.

Rajoy führt eine Minderheitsregierung, geduldet von den liberalen Ciudadanos (Bürger) und mehreren Abgeordneten kleiner Regionalparteien. Ein von Podemos vor einem Monat eingebrachtes Misstrauensvotum scheiterte.

Angeführt wurde bei der Befragung Rajoys auch eine SMS von diesem an Bárcenas mit dem Wortlaut: "Halte dich wacker, Luis!" Die linke Opposition sieht diese SMS als Beleg für die Mitwisserschaft Rajoys. Dieser erklärte allerdings, er habe den langjährigen Mitarbeiter lediglich aufmuntern wollen.

Für einen Großteil der Kommentatoren steht fest, dass die Hauptbeteiligten an dem Verfahren ihre Aussagen abgesprochen haben. Auch Correa befindet sich nach einer dreijährigen Untersuchungshaft seit 2012 wieder auf freiem Fuß.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: