Baden-Württemberg:Reinhold Würth, der „Schraubenkönig“, gegen die AfD

Lesezeit: 2 Min.

Sagt, was er denkt: Reinhold Würth in der Würth-Zentrale in Künzelsau. (Foto: Christoph Schmidt/picture alliance/dpa)

Die 89-jährige Unternehmerlegende warnt deutlich und pragmatisch vor einem Deutschland unter den Rechtsextremen.

Von Roland Muschel

Im März hat Reinhold Würth, 89, einen Brief an seine Mitarbeiter geschrieben. Es war nicht das klassische Briefing eines Chefs, sondern eine politische Warnung: „Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig.“ Denn mit der AfD drohe die Einführung einer Demokratur, wenn nicht gar Diktatur, warnte der Vorsitzende des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe die 27 000 Mitarbeiter am Standort Deutschland.

Nun, nach dem Erfolg der AfD bei der Europawahl auch am Firmenstammsitz in Künzelsau, legt der gerne als „Schraubenkönig“ betitelte Firmenpatriarch öffentlich via Deutschlandfunk nach: Sollte der deutschlandweite Trend anhalten, müsse man vorsichtig sein, wo und wie man investiere.

Das Erstarken der AfD hat inzwischen auch die Wirtschaftsbosse aufgeschreckt. So deutlich wie der Hohenloher Unternehmer aber versucht bislang wohl keiner, die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, ja, gleich des ganzen Landes auf die wirtschaftlichen Gefahren hinzuweisen. Erst mit dem Appell, die AfD nicht zu wählen. Jetzt mit der Drohung eines möglichen Investitionsstopps.

Würth verkörpert den schwäbischen Aufsteigertraum

Dass seine Warnungen so viel Widerhall finden, mag auch an Würths Vita liegen. Wie kaum ein anderer verkörpert er die schwäbische Variante des US-amerikanischen Aufsteigertraums. Der Vater starb früh, der 19-Jährige, gerade noch Stift, übernahm den Zwei-Mann-Schraubenhandel. Heute ist die Würth-Gruppe Weltmarktführer für Befestigungs- und Montagetechnik weltweit, mit 87 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 20,4 Milliarden Euro.

Zurückhaltung war Würths Sache nie, seine Brandbriefe sind berüchtigt bei Vertriebsmitarbeitern ebenso wie bei Politikern, die er sozialistischer Tendenzen verdächtigte. Mal erinnerte er Außendienstler daran, dass sie die schönste Zeit ihres Lebens im Beruf verbringen würden, und sie deshalb doch bitte gleich nach Erhalt des Briefes „den Automotor anwerfen“ und den Umsatz ankurbeln sollten. Mal bezeichnete er die Bundesrepublik als „Edel-DDR“ mit all ihren Sozialleistungen und einem unternehmerfeindlichen Steuersystem. Mit dem Steuersystem haderte er noch mehr, als Fahnder 2006 wegen Steuerhinterziehung in seinem Firmenreich ermittelten. Auf einen Prozess wollte sich Würth nicht einlassen, was er im Nachhinein nach eigener Aussage bereut. Denn der von seinen Anwälten damals ausgehandelte Deal – 40 Millionen Euro Steuernachzahlung und 3,5 Millionen Euro Strafzahlung – hatte einen gewaltigen Schönheitsfehler: Der Familienunternehmer, der sich auch als Kunst- und Wissenschaftsmäzen einen Namen gemacht hat, galt für einige Jahre als vorbestraft. Eine Schmach, die längst aus dem Strafregister gelöscht ist, die er damals aber als zutiefst ungerecht empfand, und die ihn zu der Zeit dazu bewog, über eine Verlegung des Firmensitzes in die Schweiz und des privaten Erstwohnsitzes nach Österreich nachzudenken. Er blieb samt Firma dann aber doch in Deutschland.

Schon 1994 zog sich Würth aus dem Tagesgeschäft zurück, sein Wort hat aber weiter Gewicht. Dass er nun wiederholt vor der AfD warnt, liegt auch an seinem Alter, am Miterleben des Aufstiegs der Nazis. Und an seinem Freiheitsverständnis. Denn Würth, politisch der FDP verbunden, ist ein Wirtschaftsliberaler alter Schule. Er will, dass sich der Staat nicht allzu sehr in den Markt einmischt. Aber er weiß auch, dass sich Unternehmen wie seines am besten innerhalb einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entwickeln können. Die Resonanz auf seine politischen Weckrufe ist durchaus ambivalent. Der Anti-AfD-Wahlaufruf etwa führte zu einigen Abbestellungen verärgerter Kunden, vor allem von Handwerkern aus dem Osten. Er brachte Würth aber zugleich viele Sympathien ein. Nur gefruchtet hat der erste Weckruf nicht. Für Würth war es daher ein logischer nächster Schritt, den Ton lauter zu stellen.

Hinweis: In der ursprünglichen Fassung hieß es, Reinhold Würth gelte nach seiner Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung als vorbestraft. Richtig ist: Die Vorstrafe wurde bereits aus dem Strafregister gelöscht. Wir haben den Beitrag entsprechend korrigiert.

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