AfD-Wahlprogramm:Ja zu Russland, Gas und Kohle – Nein zur Abtreibung und zur EU

Lesezeit: 3 Min.

Alice Weidel zieht für die AfD als alleinige Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf. Das Programm wurde nun auf dem Bundesparteitag verabschiedet. (Foto: Christoph Reichwein/DPA)

Die AfD hat am vergangenen Wochenende  ihr Wahlprogramm beschlossen. Es zeigt, wie umfassend die Rechtsaußen-Partei das Land und das Leben seiner Bewohner verändern will, falls sie an die Regierung käme.

Von Roland Preuß, Berlin

Die AfD will mit Forderungen nach einer Abkehr von der EU, dem Ende der Klimaschutzpolitik und einer konservativen Wende in der Gesellschaftspolitik im Bundestagswahlkampf punkten. Ein entsprechendes Wahlprogramm beschloss der Parteitag am vergangenen Wochenende im sächsischen Riesa. Dort nahmen die mehr als 500 Delegierten noch Änderungen vor, teilweise wurden die Formulierungen noch verschärft. Das etwa 85 Seiten umfassende Programm macht deutlich, wie stark sich das Land unter einer der AfD ändern könnte, sollte die Partei je Regierungsmacht erlangen.

Energie und Wirtschaft

Die schwierige Lage der deutschen Wirtschaft führt die AfD vor allem auf den Ausstieg aus der Kern- und Kohleenergie, die Russlandsanktionen und die Kosten der Migrationspolitik zurück. Die Russlandsanktionen hätten eine bezahlbare Energieversorgung Deutschlands „erheblich gefährdet“, das Land sei damit international nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Sanktionen waren EU-weit verhängt worden als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine, um mit dem Handel nicht Putins Krieg mitzufinanzieren. Die in Teilen rechtsextremistische AfD fordert dennoch die Wiederherstellung eines „ungestörten Handels mit Russland“, konkret die sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen sowie die Instandsetzung der beschädigten Nord-Stream-Gaspipelines. Die Partei vertritt damit weiterhin einen russlandfreundlichen Kurs. Im Übrigen hält man das Wirtschaftsleben für überreguliert durch die „strangulierenden Vorgaben der Politik“, insbesondere durch die Europäische Union.

EU und Nato

„Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Gemeinschaft für notwendig“, heißt es im Programm. Wie hart man sich für einen EU-Austritt ausspricht, war in der Vergangenheit immer wieder umstritten in der Partei. Mit der Formulierung haben sich die Hardliner durchgesetzt. Die EU solle ersetzt werden durch eine „Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“, einen europäischen Staatenbund. Gewichtige europäische Verbündete für einen solchen Staatenbund sind allerdings nicht in Sicht, Wirtschaftsverbände und Ökonomen warnen vielmehr vor dem hohen Schaden, den ein EU-Austritt Deutschlands anrichten würde. Auch die Asylpolitik will die Partei der EU entwinden und wieder nur national handhaben.

Die Ukraine will die Partei aus EU und Nato draußen halten, man sehe das angegriffene Land als „neutralen Staat“. Das westliche Militärbündnis soll laut Programmentwurf langfristig ersetzt werden. Die Mitgliedschaft in der Nato bleibe ein zentrales Element der Sicherheitsstrategie, aber nur „bis zum Aufbau eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses“. Das heißt, die Europäer würden den Schutz der US-Truppen aufgeben und müssten allein für ihre Sicherheit sorgen, mit entsprechend höheren Militärausgaben.

Asyl und Migration

Hier profiliert sich die AfD seit Jahren als Hardliner-Partei, diese Linie setzt die AfD in ihrem Wahlprogramm fort. An den deutschen Grenzen soll durchgehend kontrolliert werden, die Polizei soll Asylbewerber zurückweisen. Dies dürfte laut Fachleuten nach der jetzigen Rechtslage in der EU nicht erlaubt sein. Ausreisepflichtige sollen konsequenter abgeschoben, Syrern der Schutzstatus entzogen werden, weil durch die veränderte Lage im Land ihr Fluchtgrund entfallen sei.  Dadurch dürften Syrer, die noch einen Schutzstatus aufgrund ihrer Flucht haben und nicht etwa eingebürgert sind, ausreisepflichtig werden. Man sehe hier „ein großes Remigrationspotential“. Das Reizwort „Remigration“ hatte die Partei in ihrem Entwurf für das Wahlprogramm noch vermieden, auf dem Parteitag wurde es ausdrücklich aufgenommen. Der AfD-Maßnahmenkatalog gegen die verfehlte Asylpolitik „heißt Remigration“, steht nun im Programm. Dies unterstreicht, dass man bei dem Thema auf aggressive Rhetorik setzt. Die soziale Unterstützung für ukrainische Geflüchtete soll gekürzt werden, ausländische Staatsangehörige sollen höchstens ein Jahr lang Bürgergeld beziehen dürfen.

Klimaschutz

An den menschengemachten Klimawandel glaubt man bei der AfD nicht, im Programm spottet man über die „angeblich existenzbedrohende Klimakrise“, denn „das Klima kann der Mensch nicht schützen“. Aus dem Pariser Klimaabkommen will die Partei aussteigen, so wie der künftige US-Präsident Donald Trump. Entgegen dem fast einhelligen Urteil in der Wissenschaft sieht man „keinen Grund, die notwendige und sinnvolle Nutzung fossiler Energien (also Kohle, Erdgas, Erdöl) zu beschränken oder gar zu verbieten“. Im Gegenteil sollen die Menschen weiter Verbrennerautos fahren und mit (russischem) Gas heizen. Kohlendioxid sei Treiber eines verstärkten globalen Pflanzenwachstums und begünstige damit die Welternährung, so die AfD-These.

Steuern

Die AfD will einige wichtige Einnahmequellen des Staates trockenlegen. Die Unternehmenssteuern will sie senken, die Erbschaftsteuer und die Grundsteuer abschaffen, die CO₂-Abgaben auf fossile Brennstoffe streichen. Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge würden sich die Forderungen der AfD auf Steuerausfälle von fast 150 Milliarden Euro im Jahr auftürmen. Gegenfinanziert werden soll dies durch Kürzungen beim Bürgergeld, weniger Zuwanderer, die soziale Hilfe benötigen, weniger Geld für Nichtregierungsorganisationen und ein höheres Wirtschaftswachstum. IW-Chef Michael Hüther dagegen sieht nicht viel Spielraum für Steuersenkungen.

Frauen und Gesellschaft

Die gesellschaftliche Entwicklung in der Familien- und Gesellschaftspolitik hält man in der AfD für einen ideologischen Irrweg. Die „angeblich gendergerechte Sprache“ habe in Deutschland „nichts verloren“, in öffentlichen Einrichtungen und staatlichen Stellen will die Partei sie verbieten. Auch beim Recht auf Abtreibungen will sie drastische Einschränkungen durchsetzen. Schwangerschaftsabbrüche müssten die absolute Ausnahme bleiben, „z.B. bei kriminologischer oder medizinischer Indikation“, heißt es.  In den bisher schon vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfliktberatungen sollten den Schwangeren Ultraschallaufnahmen des werdenden Kindes gezeigt werden. Auf dem Parteitag war eine Lockerung dieser Forderungen diskutiert worden. Schwangerschaftsabbrüche sind derzeit rechtswidrig, sie bleiben aber in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt.

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