AfD:Verfassungsschutz stuft "Flügel" als rechtsextrem ein

Die völkisch-nationalistische Gruppe in der Partei wird nun offiziell vom Inlandsgeheimdienst beobachtet.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Der Verfassungsschutz verschärft sein Vorgehen gegen wichtige Teile der AfD. Der rechtsnationale "Flügel" der Partei werde als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag. Der "Flügel" wird von dem Inlandsgeheimdienst nun offiziell beobachtet. Haldenwang bezeichnete die wichtigsten Vertreter der Bewegung, den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke und Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, als "Rechtsextremisten". Der Thüringer Landesverfassungsschutz hat dort die gesamte AfD von einem Prüf- zu einem Verdachtsfall hochgestuft. Die AfD kündigte juristische Schritte gegen die Entscheidungen an.

Der Bundesverfassungsschutz hatte den "Flügel" bereits im Januar 2019 als "Verdachtsfall" eingestuft. Der Verdacht hat sich für den Geheimdienst nach neuen Erkenntnissen nun verdichtet. Funktionäre und Anhänger des "Flügels" verstießen fortlaufend gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, erklärte die Behörde. Die Führungsfiguren Höcke und Kalbitz würden zudem an Bedeutung gewinnen und parteiinterner Kritik mit Verunglimpfungen begegnen.

Die Entscheidung trifft die AfD in ihrem Kern. Die rechtsnationale Gruppierung in der Partei hat in den vergangenen Jahren stark an Einfluss gewonnen. Sie war unter dem Namen "Der Flügel" 2015 maßgeblich von Höcke ins Leben gerufen worden, um die Widersacher des wirtschaftsliberal-konservativen Parteigründers Bernd Lucke zusammenzuführen. Lucke verlor den internen Machtkampf und verließ die Partei, ebenso wie zwei Jahre später seine Nachfolgerin Frauke Petry, die das Erstarken des "Flügels" als Grund für ihr Ausscheiden angab.

Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass etwa 20 Prozent der rund 35 000 AfD-Mitglieder dem "Flügel" angehören, damit wäre er doppelt so groß wie die NPD. Die Bewegung um Höcke und Kalbitz, der dem AfD-Bundesvorstand angehört, kennt keine formale Mitgliedschaft. Die "Flügel"-Anhänger versammeln sich einmal im Jahr zum sogenannten Kyffhäusertreffen. An der Veranstaltung haben auch AfD-Spitzenpolitiker teilgenommen, die sich nicht dem "Flügel" zurechnen. Im vergangenen Jahr sprach dort Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, der Höcke später als "Mitte der Partei" einstufte. Besonders stark ist der "Flügel" in der ostdeutschen AfD.

Deutschland sei wegen seiner Geschichte zu besonderer Wachsamkeit verpflichtet, mahnte Verfassungsschutz-Chef Haldenwang. Demokratien könnten scheitern, wenn sie von innen zerstört würden. "Das ist die Warnung der Geschichte an uns." Als Brandmelder der Demokratie müsse er nicht nur die Brandherde, sondern auch alle relevanten Brandstifter und Brandbeschleuniger im rechtsextremen Milieu erkennen und benennen.

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