Süddeutsche Zeitung

Richtungsstreit:AfD veröffentlicht überraschend Erklärung zu deutschem Staatsvolk

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Die AfD-Spitze will damit wohl vor allem den Verfassungsschutz beeindrucken. Denn der könnte schon bald seine Gangart gegen die Partei verschärfen.

Von Markus Balser, Berlin

Schon die lange Liste der Unterzeichner machte klar, dass es am Montagabend um eine entscheidende Frage für die Partei ging. Gleich 30 Bundes- und Landesvorstände hatten die "Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität" unterzeichnet, die die Partei da überraschend veröffentlichte. Als "Rechtsstaatspartei" bekenne sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der "Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen", erklärt sich die Partei. Dies gelte unabhängig davon, "welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt".

Dass sich die AfD gerade so intensiv mit ihrer Haltung zum Volksbegriff auseinandersetzt, ist einer wachsenden Sorge in der Parteispitze geschuldet. Denn der Verfassungsschutz könnte in Kürze die Gangart gegen die Rechtspopulisten verschärfen und nicht nur Landesverbände beobachten, sondern gleich die gesamte Partei. Für die AfD wäre das ein harter Schlag. Sie fürchtet, in diesem Fall Wählerstimmen und Mitglieder in größerem Ausmaß zu verlieren.

Bisherige Gutachten hatten gezeigt, wo die Verfassungsschützer eine Gefahr durch die Partei sehen: Unter anderem im Rassismus der AfD, der auf einem entweder "biologisch-rassistischen oder ethnisch-kulturellen Volksbegriff" basiere, hieß es etwa in einem Papier von Anfang 2019. Denn wer eine Gruppe wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder ihrer Herkunft politisch ausgrenzen wolle, gefährde die demokratischen Prinzipien, wie sie im Grundgesetz formuliert seien, urteilten die Verfassungsschützer damals. Da deren Entscheidung nun näher rückt, beeilte sich die Partei, dem eine eigene Definition entgegenzusetzen.

Aber nicht nur. Das Kalkül der Partei reicht weiter. Denn die Erklärung könne auch raschen juristischen Schritten gegen ein härteres Vorgehen der Behörden dienen. Zudem wolle die Parteispitze wohl auch intern klarmachen, wo rote Linien überschritten würden - auch manchem Unterzeichner gegenüber, wie es am Dienstag in AfD-Kreisen hieß.

Auch Björn Höcke hat unterschrieben

Unter der Erklärung stehen neben Parteichef Jörg Meuthen auch die Namen des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, des Co-Chefs Tino Chrupalla sowie des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke. Der von Höcke 2015 gegründete und inzwischen formal aufgelöste "Flügel" der AfD wurde vom Verfassungsschutz bereits als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.

Die Partei hatte auf Initiative des Bundesvorstands bereits im Dezember die Gespräche über ein solches Papier aufgenommen, konnte sich aber erst jetzt auf den Wortlaut einigen. Ihre ablehnende Haltung gegenüber Einwanderung erhält sie darin aufrecht. "Nur wer unsere Sprache spricht, unsere Werte teilt und unsere Lebensweise bejaht, soll Deutscher nach dem Gesetz werden können", fordert die Partei.

Die AfD hatte zuletzt Mühe, das Problem mit den äußerst Rechten aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen. Das liegt auch daran, dass die Parteispitze selbst in dieser Frage uneins ist. Während Parteichef Jörg Meuthen als ein Vorsitzender die Rechtsaußen-Leute, mit denen er einst zusammenarbeitete, inzwischen loswerden will, setzt der zweite Parteichef Tino Chrupalla weiter auf Kooperation. Das gilt auch für die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel und Alexander Gauland, die Meuthens Kurs für falsch halten.

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