Süddeutsche Zeitung

Verfassungsschutz:Höckes AfD-Landesverband ist "erwiesen rechtsextrem"

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Der Inlandsgeheimdienst in Thüringen hat seine Gangart gegen die Alternative für Deutschland verschärft. Sie wird dort inzwischen auch als treibende Kraft hinter den immer radikaleren Corona-Protesten angesehen.

Von Markus Balser, Berlin

Der Verfassungsschutz von Thüringen sieht den dortigen Landesverband der Alternative für Deutschland als immer größere Gefahr. Der Inlandsgeheimdienst stuft den Landesverband von Parteirechtsaußen Björn Höcke inzwischen als "erwiesen extremistisches Beobachtungsobjekt" ein. Diese Entscheidung sei bereits am 15. März 2021 gefallen, sagte Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer am Montagabend bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2020 in Erfurt. Mit Blick auf die damals bevorstehende Bundestagswahl und die in Thüringen geplante Landtagswahl habe der Inlandsgeheimdienst diese aber bislang nicht öffentlich gemacht, sagte Kramer weiter. Zu der Entscheidung hätten personelle und programmatische Entwicklungen der AfD in Thüringen geführt, sagte Kramer.

Damit gerät der Landesverband Höckes, der in der AfD gerade an Bedeutung gewonnen hat, noch stärker in Bedrängnis. Die AfD bekämpfe die Demokratie faktisch "von innen", sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). Laut Verfassungsschutzchef Kramer belegen Äußerungen führender Mitglieder der Partei deren rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Einstellungen. Um dies klar zu belegen, hab es in der Vergangenheit noch nicht einmal nachrichtendienstlicher Mittel bedurft, sagte Kramer weiter.

Der Vorgang gilt für die gesamte Partei als brisant. Nach dem angekündigten Abgang von Parteichef Jörg Meuthen ringt die AfD derzeit hinter den Kulissen um eine neue Bundesspitze. Insidern zufolge soll bei den Gesprächen über eine Neubesetzung des Bundesvorstands auch das Lager um Björn Höcke mitreden und eine wichtige Stimme haben. Die ostdeutschen Landesverbände der AfD hatten in der Partei nach den jüngsten Wahlerfolgen deutlich an Einfluss gewonnen.

Die Behörden kommen nun zu der Einschätzung, dass sich der Thüringer Landesverband "in einem nachweisbaren Prozess der politischen Radikalisierung" befinde. So geht es aus dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 hervor. "Regelmäßig werden dabei im AfD Landesverband Thüringen die Grenzen zum politischen Extremismus überschritten", heißt es dort weiter.

"Zur Radikalisierung der Szene beigetragen"

Die Behörden geben der AfD auch eine Mitschuld an der Radikalisierung der Corona-Proteste. Der Thüringer AfD sei eine "herausragende Rolle" im Zusammenhang mit den Corona-Protesten zugekommen, sagte Maier . Sie könne sogar als "prägend für das gesamte Protestgeschehen bezeichnet werden" und habe auch "zur Radikalisierung der Szene beigetragen".

In der AfD dürften damit die Sorgen wachsen, dass auch das Bundesamt für Verfassungsschutz eine härtere Gangart gegen die Partei öffentlich machen könnte. Vor einigen Monaten war durchgesickert, dass das Bundesamt die ganze Partei als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie dem Abhören oder dem Einsatz von V-Leuten ermöglicht. In einem Rechtsstreit geht die Partei gegen eine Einstufung durch den Verfassungsschutz vor. Der Inlandsgeheimdienst hat sich bislang deshalb auch nicht zu einer Einstufung geäußert.

Die AfD hatte sich seit 2019, als der Nachrichtendienst mit der Prüfung der Partei begann, allerdings immer stärker nach rechts außen bewegt - eine Beobachtung scheint sich kaum noch abwenden zu lassen. Die AfD würde das hart treffen, denn es könnte Beamte aus der Partei treiben - sie gelten als wichtiges Standbein der AfD.

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