Süddeutsche Zeitung

AfD:Der Reinfall mit dem Prüffall

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Von Sebastian Pittelkow und Nicolas Richter, München

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die AfD vorerst nicht mehr als "Prüffall" bezeichnen. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Dienstag festgestellt. Aus Sicht der Richter fehlt den Staatsschützern eine Rechtsgrundlage dafür, die Partei so zu nennen. Dem Begriff Prüffall komme in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung zu, befand das Gericht, dies sei ein Eingriff in die Rechte der Partei. Da es dafür keine rechtliche Grundlage gebe, sei der Eingriff "rechtswidrig und auch unverhältnismäßig".

Am 15. Januar 2019 hatte der Präsident des Bundesamtes, Thomas Haldenwang, mitgeteilt, dass die Gesamtpartei AfD als Prüffall bearbeitet werde, die Junge Alternative (JA) und die Teilorganisation der AfD "Der Flügel" hingegen als "Verdachtsfall". Die Einstufung als Verdachtsfall ermöglicht es dem Bundesamt, Junge Alternative und "Flügel" innerhalb bestimmter Grenzen zu beobachten. Die Voraussetzungen dafür lagen aus Sicht der Staatsschützer allerdings nicht für die ganze Partei vor.

Für die Gesamt-AfD blieb es daher bei einer Einstufung als Prüffall, also beim niedrigsten Vorstadium einer möglichen Beobachtung. Das Bundesamt kommunizierte diese Einordnung im Januar bei einer Pressekonferenz, auf seiner Homepage und bei Twitter. Die AfD ging dagegen vor und beantragte beim Verwaltungsgericht Köln eine einstweilige Anordnung, die jetzt auch erlassen worden ist.

Das Vorgehen des Bundesamts war ungewöhnlich

"Die Entscheidung belegt eindrucksvoll, dass das Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und insbesondere seines Präsidenten Haldenwang nicht im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaates ist", erklärte AfD-Chef Jörg Meuthen am Dienstag. "Damit ist die politisch motivierte Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes gegen die Alternative für Deutschland vorerst gescheitert."

Tatsächlich ist es ungewöhnlich, dass der Verfassungsschutz eine Gruppierung öffentlich zum Prüffall erklärt. Dem Bundesamt war bewusst, dass es sich in eine juristische Grauzone begeben hatte. In ihrem AfD-Dossier hatten die Staatsschützer ihr Vorgehen damit gerechtfertigt, dass in der Öffentlichkeit über eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz spekuliert worden sei. Aus Sicht des Bundesamtes sollte die harmlosere Einstufung der AfD als Prüffall also "eher zu einer Entlastung der Partei" führen. Die Logik dahinter: Das Bundesamt bestätigt der Partei damit, dass sie weniger schlimm sei als von Teilen der Öffentlichkeit vermutet.

Das Verwaltungsgericht Köln sieht dies offensichtlich anders. Allein der Begriff Prüffall entfalte bereits eine negative öffentliche Wirkung, hieß es. Dies beeinträchtige die AfD in ihren Rechten aus dem Parteiengrundrecht und aus dem Persönlichkeitsrecht. Für solche Eingriffe bedürfe der Staat einer rechtlichen Grundlage, die aber nicht vorliege. Das Gericht hat dem Eilantrag stattgegeben, um Schaden für die Partei bei der Europawahl und bei mehreren Landtagswahlen abzuwenden. Gegen den Gerichtsbeschluss kann das Bundesamt Beschwerde einlegen.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2019
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