Verfassungsschutz und AfD:Eine längst überfällige Entscheidung

Fraktionssitzung der AfD

Die Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland und Alice Weidel, geben bei der Fraktionssitzung ihrer Partei im Reichstagsgebäude ein Statement ab.

(Foto: dpa)

Auf allen Ebenen der AfD gibt es Sympathien für verfassungsfeindliche Gruppierungen - auch weil die Partei von ihnen profitiert. Es ist richtig, dass der Verfassungsschutz reagiert.

Kommentar von Antonie Rietzschel, Leipzig

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Alternative für Deutschland (AfD) zum Prüffall erklärt. Das tun Verfassungsschützer nur, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt. Die Entscheidung ist richtig und überfällig. Denn solche Bestrebungen gibt es in der AfD seit Jahren. Sie sind nicht konstruiert, wie Parteichefin Alice Weidel in einem ersten Kommentar behauptet, sondern zentraler Bestandteil der Parteiwirklichkeit.

Seit Jahren lässt sich in der Partei eine zunehmende Radikalisierung einzelner Akteure beobachten, ohne dass es groß Widerspruch seitens der Parteiführung um Weidel und Alexander Gauland gegeben hätte. Der Thüringer Landtagsabgeordnete Björn Höcke stellte sich auf eine Bühne mit einem Anführer der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner. Ein Aktivist der Identitären wurde auf dieser Bühne als "Held des Widerstands" ausgezeichnet. Das war im Herbst 2017, als die AfD die "Identitäre Bewegung" längst auf ihre Unvereinbarkeitsliste gesetzt hatte.

Vom Parteinachwuchs über Landesverbände bis hin zu einem Bundestagsabgeordneten - auf allen Ebenen lassen sich Sympathien für verfassungsfeindliche und rechtsextreme Gruppierungen ausmachen - auch weil die Partei von ihnen profitiert. Die Dresdner Bewegung Pegida stand lange auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Doch das Kooperationsverbot wurde aufgehoben, zu einem Zeitpunkt, als sich Pegida zunehmend radikalisierte und der Landtagswahlkampf in Sachsen näher rückte.

An solchen Entscheidungen muss sich die Partei messen lassen. Ihre halbherzigen Bemühungen der letzten Monate, sich von extremen Gruppen und Personen loszusagen, ändern daran nichts. Ja, die vom Verfassungsschutz beobachtete Bürgerbewegung "Pro Chemnitz" landete im November 2018 auf der Unvereinbarkeitsliste. Und ein Landtagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt kündigte an, sein Wahlkreisbüro im Hausprojekt der "Identitären Bewegung" schließen zu wollen. Doch bis heute steht die Adresse auf seiner Internetseite. Sieht so Konsequenz aus?

Der Parteiaustritt André Poggenburgs war selbst gewählt und nicht von der Partei herbeigeführt. Im vergangenen Jahr hatte der einstige AfD-Chef von Sachsen-Anhalt Deutschtürken als "Kameltreiber" beschimpft, der Saal johlte. Der Bundesvorstand mahnte Poggenburg lediglich für die Äußerung ab.

Und selbst wenn einer wie er geht, rücken Neue nach. In Brandenburg setzt die AfD im Landtagswahlkampf auf einen Mann, der sein eigenes rechtsextremes Netzwerk gesponnen hat. Hans-Christoph Berndt ist ein Mann der Straße, wie Lutz Bachmann von Pegida. Er hat in Cottbus das Bündnis "Zukunft Heimat" gegründet, das auch von der "Identitären Bewegung" unterstützt wird. Er steht auf der AfD-Landesliste auf Platz 2. Es wäre also naiv zu glauben, dass sich die Partei durch die Entscheidung des Verfassungsschutzes mäßigen wird.

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