AfD:Mit der Beobachtung des "Flügels" sendet der Verfassungsschutz ein Signal

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Thüringens AfD-Chef Björn Höcke - ein "Rechtsextremist", auch nach Ansicht des Verfassungsschutzes.

(Foto: dpa)

Was Björn Höcke und sein "Flügel" treiben, verträgt sich nicht mit dem Grundgesetz. Das werden hoffentlich viele Wähler verstehen. Gegen die gesamte AfD vorzugehen, wäre hingegen riskant.

Kommentar von Georg Mascolo

Es war eine überfällige Entscheidung, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) getroffen hat. Der sogenannte Flügel der AfD ist nun ein offizielles Beobachtungsobjekt, er gilt als "rechtsextremistische Bestrebung". V-Leute und Telefonüberwachungen sind erlaubt, um die Absichten der nationalistisch-völkischen Truppe um Björn Höcke aufzuklären.

Weit wichtiger noch ist die Botschaft, die der Staat damit an die Partei und ihre Wähler sendet: Mindestens die von Mitgliedern des Flügels - er hat geschätzt 7000 Mitglieder - propagierten Alternativen für Deutschland vertragen sich nicht mit dem Grundgesetz. Man darf eine andere Politik wollen, aber keinen anderen Staat, man darf Menschenrechte und Verfassungsgrundsätze nicht missachten. Weite Teile der AfD kennen diesen Unterschied in ihrem Furor nicht. Oder wollen ihn auch gar nicht kennen.

Bereits seit einem Jahr führte der Verfassungsschutz den Flügel (und die Jugendorganisation Junge Alternative) als sogenannte Verdachtsfälle. Dies war auch ein Angebot an die AfD, hatte sie doch stets behauptet, sich von radikalen Kräften trennen zu wollen. Aber nichts davon erwies sich als wahr. Der Flügel ist nur mächtiger geworden.

Höcke, den die Partei selbst einmal ausschließen wollte, steht nun in ihrem Zentrum. Der Flügel sei "eine ganz wichtige Strömung innerhalb der Partei", lobt die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel. Mitten im deutschen Parlament gibt es für viele der AfD-Abgeordneten keine Grenzen mehr. Er höre Reden, die ihn an Nazis erinnerten, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Mit der Werbekampagne "Wir sind Grundgesetz" wehrt sich die AfD gegen das Vorgehen des Verfassungsschutzes. Sie stilisiert sich zum Opfer, und das in einer Zeit, in der es, wie zuletzt in Hanau, echte Opfer gibt. Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke soll für die AfD Plakate geklebt haben. Aber die Partei will nicht sehen, welche Verantwortung sie für ein Klima trägt, in dem Rassisten und Rechtsextremisten glauben, den Volkswillen zu vollstrecken. Dabei hat sie dieses Klima mit Reden von Diktatur, Lügenpresse, Widerstand und Systemparteien mit geschaffen.

Ja, es gibt in der AfD solche, die versuchen, den Einfluss der Höckes zurückzudrängen. Die eine konservative, eine rechte, aber keine rechtsradikale Partei wollen. Aber was machen sie dann noch in der AfD? Recht allerdings hat die Partei mit dem Hinweis, dass zahlreiche Gewaltakte in dieser gefährlichen Atmosphäre inzwischen auch Mitgliedern ihrer Partei gelten. Hass mit Hass zu bekämpfen war schon immer die schlechteste Idee.

Politiker sollten aufhören, dem Verfassungsschutz zu sagen, was er tun soll

Viele hatten sich nun ein eindeutigeres, weitreichenderes Signal vom Verfassungsschutz erhofft. SPD und Grüne forderten die Beobachtung der gesamten Partei, Bayerns Ministerpräsident nennt sie die "neue NPD". Allerdings spricht viel dafür, dass der Verfassungsschutz vernünftig handelt. Die juristischen Hürden für die flächendeckende Beobachtung einer Partei sind besonders hoch, bereits jetzt klagt die AfD vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die vorherige Einstufung des Flügels als Verdachtsfall, spricht von "stigmatisierenden und ehrschädigenden" Aussagen, die der Partei schadeten. Noch weiß der Verfassungsschutz also nicht einmal, ob die Gerichte das Vorgehen gegen den Flügel für zulässig erklären werden.

Gegen die gesamte Partei vorzugehen wäre mindestens riskant. Es ist übrigens gut, dass Gerichte die Entscheidungen des Verfassungsschutzes überprüfen, anders darf es im Rechtsstaat nicht sein - gerade wenn es um die AfD geht, die ihre Anhänger überzeugen will, dass die Beobachtung des Flügels nicht das unausweichliche Ergebnis ständiger Grenzüberschreitungen sei. Sondern dass es sich um ein Komplott der politischen Gegner handle.

Ein Scheitern des Staates vor Gericht wäre ein Triumph für die AfD. Ein Erfolg aber würde hoffentlich mindestens einige Wähler davon überzeugen, dass Leute wie Höcke eine Schande für dieses Land sind. Es wäre übrigens auch besser, wenn Politiker aufhören würden, dem Verfassungsschutz ständig zu sagen, was er tun soll. Früher galt in diesem sensiblen Bereich eine gewisse Zurückhaltung. Sie war klug und wäre es auch heute wieder.

Ohnehin ist die jetzige Entscheidung nicht das Ende aller Überlegungen. Die gesamte Partei bleibt weiter als Prüffall eingestuft, auch dies ist eine Phase der Bewährung. Irgendwann in diesem Jahr muss sich der Verfassungsschutz entscheiden, ob er die gesamte Partei schärfer ins Visier nimmt. Und man darf vermuten, dass es auch hier für die AfD nicht sonderlich gut aussieht.

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