AfD:Chance oder doch nur Show?

AfD-Fraktionsvorsitzende Weidel und Gauland

Alice Weidel und Alexander Gauland im Bundestag. Auch hier bemüht sich die AfD um gemäßigtere Worte.

(Foto: Axel Schmidt/Reuters)
  • Das rechte AfD-Parteinetzwerk "Der Flügel" sowie der Parteinachwuchs Junge Alternative werden seit einigen Wochen vom Verfassungsschutz als Extremismus-"Verdachtsfälle" geführt.
  • Seitdem fällt die Partei durch mildere Töne auf. Auch hat die AfD radikalere Mitglieder hier und da auf hintere Plätze verwiesen.
  • Einige Verfassungsschützer misstrauen dem neuen Kurs der Parteiführung und werfen ihr "Lippenbekenntnisse" vor.

Von Jens Schneider und Ronen Steinke, Berlin

Was passiert, wenn die AfD Angst vor dem Verfassungsschutz bekommt? Ein führender deutscher Verfassungsschützer hat vor ein paar Monaten mal eine Prognose gewagt, wie sie reagieren werde. In Parlamentssälen werde man Handwerker rufen. "Die schrauben ein paar Stühlchen ab." Die AfD werde mit großer Geste die Distanzierung von Radikalen in ihren Reihen bekunden. Aber sie werde weiter mit diesen zusammenarbeiten. Nur etwas stiller. "Ein paar Meter weiter wird das Stühlchen wieder angeschraubt."

Sechs Wochen sind jetzt vergangen, seitdem das Bundesamt für Verfassungsschutz am 15. Januar an die Öffentlichkeit gegangen ist und die AfD scharf verwarnt hat. Seither kann man erleben, wie viel dran ist an der Prognose. Das rechte Parteinetzwerk "Der Flügel" wird jetzt als Extremismus-"Verdachtsfall" geführt, genauso der Parteinachwuchs Junge Alternative (JA).

Die Beamten überprüfen auch die gesamte Partei, wenngleich sie nach einem Gerichtsurteil nicht mehr offen darüber sprechen dürfen. Und wenn man seither die AfD beobachtet, dann ist dieser neue Sound tatsächlich bemerkenswert: "Wer hier seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausleben möchte, dem sagen wir klipp und klar: Sucht euch ein anderes Spielfeld für eure Neurosen", rief Parteichef Jörg Meuthen am Wochenende beim Landesparteitag in Baden-Württemberg.

Gezielte Einzelgespräche, um das Außenbild zu verändern

Es steht viel auf dem Spiel für die Partei, und es hat sich durchaus schon viel getan seit dem 15. Januar. Eine ganze Reihe von Ausschlussverfahren gegen Parteimitglieder sind neu eingeleitet worden, darauf verweist Meuthen gern. Die JA hat auf ihrem Bundeskongress jüngst sogar ihre Satzung so geändert, dass als problematisch angesehene Mitglieder schneller hinausgeworfen werden können.

Der Vizechef der Bundestagsfraktion, Roland Hartwig, zugleich Leiter der internen Arbeitsgruppe der AfD zum Verfassungsschutz, war eigens zum JA-Treffen nach Magdeburg gereist. Schon von der Wahl eines neuen Vorstands dort sollte ein Signal ausgehen. Gewählt wurden Kandidaten mit direkter Verbindung zur Spitze der Bundespartei, der neue stellvertretende JA-Vorsitzende Tomasz Froelich zum Beispiel ist zugleich Jörg Meuthens persönlicher Referent und Büroleiter.

Auch im Bundestag gibt es Anzeichen, dass die Fraktion sich mehrheitlich um einen milderen Ton bemüht. Das hat, so ist aus dem Fraktionsvorstand zu hören, auch damit zu tun, dass gezielte Provokationen der AfD nicht mehr die gewünschte Aufmerksamkeit erregen würden wie im ersten Jahr im Bundestag. Auch hier spiele die Sorge vor dem Verfassungsschutz eine Rolle, erklären einzelne Parlamentarier. In der disparaten Fraktion lässt sich eine einheitliche Linie zwar kaum von oben verordnen. Wer das versuche, erreiche das Gegenteil, heißt es aus der Führung, die Leute würden sich dann schlicht verweigern. Dem Vernehmen nach gab es aber hier und da Ermahnungen, auch seien Einzelgespräche geführt worden, ganz gezielt, um das Außenbild zu verändern.

Die Radikaleren werden hier und da auf hintere Plätze verwiesen

Die Frage lautet nur: Ist das schon ein echter Erfolg des Verfassungsschutzes in dem Bemühen, Extremisten zu schwächen? Manche Beamte sehen das so. Selbst wenn das neue Wohlverhalten der AfD nur gespielt sein sollte: Immerhin schiebe die Partei jetzt gemäßigtere Mitglieder nach vorne, die radikaleren würden hier und da auf hintere Plätze verwiesen.

Das Argument kennt man auch aus anderen Zusammenhängen. Der frühere Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, war während seiner Amtszeit bekannt dafür, sich damit zu rühmen, dass die Linkspartei Leute aus dem von ihm beargwöhnten Fundi-Flügel von höheren Ämtern fernhalte. Eine innere Umkehr bewirke das zwar nicht. Aber immerhin, so fand er: Einigen Radikalen könne man die Karriere verbauen.

Einige Verfassungsschützer misstrauen den neuen Tönen der AfD-Führung

Auch innerhalb der AfD gibt es Gemäßigte, die derzeit beteuern, den Verfassungsschutz als eine Art Verbündeten im Flügelkampf willkommen zu heißen. Das Damoklesschwert einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ermögliche der Partei eine "Häutung", sagt ein Mitglied des Bundesvorstands. Endlich habe man einen Hebel, die Radikalen kleinzukriegen. "Es geht darum, Menschen mit Ideen loszuwerden, die undemokratisch sind", sagt der AfD-Mann Hartwig. Es gelte, "den kleinen Narrensaum zu bekämpfen, der uns am Ende nur schadet".

Dabei beklagt die AfD einerseits, zu Unrecht verfolgt zu werden. Andererseits beteuert sie, bereits alles zu unternehmen, um die vorhandenen Probleme selbst zu lösen. Roland Hartwig, der lange Justiziar des Bayer-Konzerns war, kritisiert: "Nach unserer Auffassung gibt es im Verfassungsschutzgutachten zur AfD eine Reihe von Behauptungen über uns, die schlichtweg falsch sind. Wir stellen sie gerade zusammen." Auch würden dort Aussagen mitunter in einen falschen Kontext gesetzt. "Aber es sind auch einige Aussagen aufgelistet, die zumindest missverstanden werden können und denen wir nachgehen werden." Man wolle bei den zitierten Parteileuten nachfragen, wie sie ihre Aussagen tatsächlich gemeint hätten. "Wenn sie da eine undemokratische Haltung zeigen, wird das Konsequenzen haben." Die Parteiführung meine es ernst, es gehe nicht nur um den Ton, sondern um den Inhalt.

Ein neues Sagbarkeits-Gutachten ist bereits in Arbeit

Oder ist das alles bloß Camouflage? Einige Verfassungsschützer vor allem auf Landesebene misstrauen den neuen Tönen aus der AfD-Führung, die vielleicht in Wahrheit nur ein paar Stühlchen ab- und neu anschrauben wolle. "Das ist Show", sagt eine hochrangige Beamtin. Es gehe der AfD um Lippenbekenntnisse. Wenn die Radikalen zu einer geschickteren Sprache fänden, dann könne das ihren Einfluss sogar stärken.

Kürzlich hatte der Freiburger Rechtswissenschaftler Dietrich Murswiek der AfD bereits eine Handreichung geschrieben, was sagbar sei und was nicht, wenn man juristischen Ärger vermeiden wolle. Im Moment ist er wieder fleißig: Die AfD hat ein weiteres Gutachten bei Murswiek in Auftrag gegeben, hat die Süddeutsche Zeitung erfahren. Ein erster Teil soll im März, der Rest im Mai fertig sein.

Und wenn am Ende die Entscheidung der Beamten steht, dass die Überprüfung der ganzen AfD abgebrochen wird, weil nur einzelne Teile von ihr des Extremismus überführt werden konnten? Auf ein solches "Prüfsiegel" freut sich der AfD-Jurist Hartwig schon jetzt. "Das Ziel ist eine Art Unbedenklichkeitszertifikat, dass wir eine demokratische Partei sind, wie jede andere auch." Damit stünde die Partei womöglich sogar besser da als vorher.

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