Landtagswahl in Thüringen:Sieben Lektionen gegen die AfD

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In den Umfragen zur Landtagswahl in Thüringen steht die AfD unter der Führung des Parteirechten Björn Höcke derzeit bei etwa 30 Prozent. (Foto: Martin Schutt/DPA)

Verfassungsrechtler warnen, dass die in Teilen rechtsextreme Partei in Thüringen demnächst das demokratische System lahmlegen könnte - und empfehlen erstmals konkret, was dagegen zu tun ist.

Von Ronen Steinke, Berlin

Auf die demokratischen Institutionen in Thüringen, aber womöglich auch in anderen Teilen Deutschlands dürfte bald ein heftiger Stresstest zukommen. Falls die AfD aus Wahlen gestärkt hervorgehen sollte, könnte sie beginnen, die Abläufe zu blockieren oder sogar das politische System in ihrem Sinne umzubauen. Mit diesem Szenario beschäftigt sich schon seit einem guten Jahr eine Gruppe von Fachleuten rund um den Berliner Juristen und Chefredakteur des Verfassungsblogs , Maximilian Steinbeis.

Nun hat diese Gruppe erstmals "Handlungsempfehlungen" an die Politik ausgesprochen, um die "Resilienz" des Rechtsstaats in Thüringen und darüber hinaus zu stärken. "Aus unserer Sicht ist nur eine vorbereitete Demokratie eine wirklich wehrhafte Demokratie", schreiben die Fachleute in einem Papier, das sie am Mittwoch im Erfurter Landtag vorgestellt haben. Ihre sieben Empfehlungen im Überblick.

Bisher kann der Ministerpräsident vollkommen eigenständig Verträge kündigen

Erste Warnung: Das Landesverfassungsgericht sei eine offene Flanke der Demokratie in Thüringen - es sei ein naheliegender Angriffspunkt für autoritäre Populisten, die sich zum Beispiel am Vorbild der polnischen PiS-Partei oder auch der ungarischen Fidesz-Partei orientieren könnten. Derzeit ist es so: Richterinnen und Richter werden mit zwei Dritteln der Stimmen im Landtag gewählt. Deshalb könnte die AfD mit einer "Sperrminorität" künftige Ernennungen verhindern. Die Fachleute des Verfassungsblogs empfehlen: Um die Arbeitsfähigkeit des Gerichts sicherzustellen, sollte notfalls der Verfassungsgerichtshof in Weimar selbst seine neuen Mitglieder vorschlagen - und das Parlament diese auch mit einfacher Mehrheit wählen dürfen. Amtszeiten sollten in der Verfassung verankert werden.

Zweite Warnung: Derzeit kann der Thüringer Ministerpräsident vollkommen eigenständig Verträge kündigen, zum Beispiel den Rundfunkstaatsvertrag. Die Folge wäre, dass Mitarbeitende von ARD, ZDF und MDR entlassen werden müssten, warnen die Autorinnen und Autoren. Sie empfehlen: Man solle den Artikel 77 der Thüringer Verfassung ändern, um bei solchen Entscheidungen stets den Landtag einzubinden.

Dritte Warnung: Gleich in der ersten Sitzung des Landtags ist ein Landtagspräsident beziehungsweise eine Landtagspräsidentin zu wählen, das Vorschlagsrecht hierfür haben die stärkste Fraktion und, vom dritten Wahlgang an, der Landtagsälteste. In Thüringen könnte es leicht passieren, dass damit die AfD diese Frage unter sich ausmacht. Um das zu vermeiden, lautet der Vorschlag: Die Geschäftsordnung des Landtags sollte geändert werden. "Alle Fraktionen" sollten Kandidaten vorschlagen dürfen.

Vierte Warnung: Die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung ist derzeit nirgends gesetzlich verankert, deshalb könnte eine neue Landesregierung sie auch "mit einem Federstrich" auflösen, wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Ihre Empfehlung: Um dies zu verhindern, sollte die Institution gesetzlich abgesichert werden - als "teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts".

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Die Chefs von Polizei und Verfassungsschutz sind vom Wohlwollen der Regierung abhängig

Fünfte Warnung: Ein "autoritär-populistischer Ministerpräsident" hätte nach derzeitigem Recht die Möglichkeit, die Chefs von Polizei und Verfassungsschutz sofort aus dem Amt zu werfen, denn beides sind sogenannte politische Beamte. Das heißt, sie sind vom Wohlwollen der jeweils Regierenden abhängig. "Diese beiden Ämter sollten aus der Kategorie der politischen Beamten herausgenommen werden, da bei ihrer Ausübung die politische Neutralität besonders wichtig ist", heißt es deshalb.

Sechste Warnung: Eine AfD-Regierung könnte in Thüringen Volksbefragungen abhalten, die ihren Gesetzesvorhaben eine höhere Legitimation verschaffen, "an den demokratischen Institutionen vorbei", wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Ein Vorbild sehen sie in Viktor Orbáns "nationalen Konsultationen", und sie halten das für eine derart große Gefahr für die Demokratie, dass sie empfehlen, solche Volksbefragungen ausdrücklich in der Thüringer Verfassung zu verbieten. "Die direktdemokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger bleiben dabei unangetastet."

Warnung Nummer sieben: Wenn der Thüringer Ministerpräsident weiterhin geheim gewählt wird, dann könne es so laufen wie im Februar 2020, als die AfD die demokratischen Parteien FDP und CDU mit einem Trick hereinlegte und vorführte. Damals hatte die AfD vorgetäuscht, sie wolle im dritten Wahlgang ihren eigenen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs wählen. Aber dann hatte sie insgeheim doch geschlossen für den Kandidaten der FDP gestimmt, Thomas Kemmerich, und diesen damit kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gemacht. "Um derartige Szenarien in Zukunft zu vermeiden und die Transparenz der Wahl zu erhöhen, sollte die Wahl offen erfolgen", heißt es in dem Papier.

Die Landtagswahl in Thüringen soll am 1. September stattfinden. In den Umfragen steht die AfD unter der Führung des Parteirechten Björn Höcke derzeit bei etwa 30 Prozent, und damit deutlich vor der CDU und erst recht deutlich vor der Linkspartei des derzeitigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.

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