Nach Tweets gegen Juden und Ausländer:Fraktionen lehnen AfD-Abgeordneten Brandner ab

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Ihm wurde die Eignung zur Leitung des Rechtsausschusses abgesprochen: AfD-Politiker Stephan Brandner (Foto: dpa)
  • Wegen umstrittener Tweets zum Anschlag von Halle hat sich der Rechtsausschuss des Bundestags offen gegen seinen Vorsitzenden Stephan Brandner (AfD) gestellt.
  • Brandner sei "nicht fähig, den Ausschuss zu führen", heißt es in einer Erklärung, die die Grünen-Obfrau Manuela Rottmann am Mittwoch im Ausschuss verlas - ausdrücklich auch im Namen von CDU/CSU, SPD, FDP und Linken.
  • Brandner äußerte sich nicht.

Von Stefan Braun, Berlin

Dieses Mal wollten die Rechtspolitiker im Bundestag nichts mehr ignorieren. Nichts mehr unkommentiert stehen lassen. Nichts mehr übergehen, auf dass die Provokationen von Stephan Brandner nicht noch mehr Aufmerksamkeit erhalten würden. Dieses Mal wollten sie unmissverständlich Stellung beziehen.

Und so kam es am Mittwochvormittag im Rechtsausschuss des Bundestages zu einem Vorgang, den es so, wenn überhaupt, noch nicht oft gegeben haben dürfte. Alle anderen Fraktionen distanzierten sich vom eigenen Ausschussvorsitzenden - und zwar in einer Form, die eine künftige Zusammenarbeit, ja nicht mal eine einigermaßen gedeihliche Arbeit in dem wichtigen Ausschuss kaum mehr möglich erscheinen lässt.

Nach Absprache mit den Kollegen von Union und SPD, von Linken und Freien Demokraten verlas die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann im Namen aller Nicht-AfD-Vertreter im Ausschuss eine Erklärung, in der sie seine Tweets nach dem Terroranschlag von Halle massiv kritisierte und ihm die Fähigkeiten zur Führung des Ausschusses absprach. Rottmann erklärte, alle im Ausschuss würden Brandners Kommentierungen "ausdrücklich ablehnen und verurteilen".

Nachgerade "erbärmlich"

So habe Brandner in einem Tweet zwischen den "deutschen" Opfern und den Menschen in Synagogen und Moscheen unterschieden und suggeriere damit, dass alle anderen keine Deutschen seien. Dass der Anschlag eigentlich den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gegolten habe, werde "auf abstoßende Weise zur irrelevanten Nebensache" gemacht, so Rottmann. Nachgerade "erbärmlich" sei es, wie Brandner die Gespräche mit Angehörigen der Getöteten und mit Verletzten als "herumlungern" verächtlich gemacht habe. "Jämmerlich" sei es, wie er das hinterher als unverbindliche "Darstellung des Meinungsspektrums" beschrieben habe.

Rottmann sprach in Abstimmung mit den Kollegen aller anderen Fraktionen; im Namen aller distanzierte sie sich von dem AfD-Abgeordneten als Vorsitzendem des Rechtsausschusses. "Sie sind nicht geeignet, diesen Ausschuss zu führen", sagte Rottmann in dem Gremium. "Sie selbst zerstören mit Ihren Äußerungen die Gesprächsbrücken zu Bürgerinnen und Bürgern, zur Anwaltschaft, zu Berufsverbänden, zu Religionsgemeinschaften zur Zivilgesellschaft." Damit zerstöre Brandner jede Voraussetzung, "die Aufgabe als Vorsitzender des Rechtsausschusses in einer pluralen, offenen Demokratie wahrnehmen zu können".

Besonders scharf kritisierte sie den Umgang Brandners mit dem jüdischen Publizisten und Mitglied der jüdischen Gemeinde, Michel Friedman. Einen Tag nach dem Anschlag in Halle habe Brandner ein Foto Friedmans ins Netz gestellt und ihn als "deutschen Michel" lächerlich gemacht, der der AfD immer neue Wähler in die Arme treibe. Damit mache er Friedman zum Feindbild. "Wir kennen den Effekt, den solche Ausrufungen zu Zielscheiben haben: Die Gefährdung dieser Person steigt nochmal drastisch an."

"Eine Grenze überschritten"

Für alle anderen im Ausschuss sei damit "eine Grenze überschritten". Diese Grenze trenne Brandner vom demokratischen Deutschland. Rottmann betonte, dass der Vorsitzende eines Bundestagsausschusses nicht von sich aus mächtig sei. Diese erlange man nur, wenn man das Amt "mit Respekt und Anstand und vielleicht gelegentlich einem klugen Gedanken" ausfülle. "Für mich", so Rottmann, "sind Sie deshalb längst zurückgetreten."

Für die Zeit der Erklärung von Rottmann hatte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Heribert Hirte die Sitzungsleitung übernommen. Brandner antwortete nichts. Auch nicht als Rottmann zum Schluss erklärte: "Sie werden uns nicht daran hindern, die Arbeit, für die wir in dieses Gremium entsandt wurden, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erledigen. Bei der Grenze zwischen Ihnen und uns bleibt es."

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