Süddeutsche Zeitung

AfD-Spitzenkandidat Gauland:Anbiedern an rechts und links

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Der AfD-Spitzenkandidat in Brandenburg, Alexander Gauland, spielt mit seinem Ruf als besonnener Konservativer, bedient sowohl rechte als auch linke Ressentiments. Die Aufmerksamkeit, die er dafür bekommt, genießt er.

Von Jens Schneider, Berlin

Es begann am Montag nach der Wahl in Sachsen. Alexander Gauland hatte die Wahlparty seiner Alternative für Deutschland in Dresden besucht und die Euphorie angesichts von fast zehn Prozent ruhig lächelnd beobachtet. Der 73-jährige Publizist ist in seiner Heimatstadt Potsdam als ein besonnener Konservativer bekannt, wird geschätzt als nachdenklicher Gesprächspartner; auch von Spitzen der SPD, die in Brandenburg seit einem Vierteljahrhundert regiert und die Geschicke der Politik bestimmt.

Im vergangenen Jahr verließ er nach vier Jahrzehnten Mitgliedschaft die CDU, für deren Regierungschef Walter Wallmann er einst die hessische Staatskanzlei führte. Dann gründete er die AfD mit, übernahm bald die Führung des von irrlichternden Politik-Nomaden geprägten Brandenburger Landesverbands. Viele fragten sich, warum der Publizist, der viele Jahre Herausgeber der Märkischen Allgemeinen in Potsdam war, sich diesen chaotischen Haufen antut, dessen Beschränkungen er nicht übersehen konnte.

Kein Tag ohne aufgeregte Nachrichten um Gauland

Lange hielt Gauland sich der Landespolitik fern. Er kümmerte sich um sein Steckenpferd, den Umgang mit Russland. Am Montag nach der Sachsen-Wahl aber stieg der AfD-Spitzenkandidat mit einem Protest gegen eine mögliche Asylbewerberunterkunft in die Tiefen der Landespolitik hinab. Viel zu tief, ja verantwortungslos tief, klagten Kritiker in Potsdam. Seither vergeht kaum ein Tag ohne eine aufgeregte Nachrichten rund um Gauland.

Der bis dahin ruhige Brandenburger Wahlkampf bekam eine eigenartige Dynamik, was daran liegt, dass fast alle Parteien - vor allem Linke und CDU - befürchten, stark an die AfD zu verlieren. Es sind zugleich Wochen, in denen die AfD, bisher stets mit dem Attribut "eurokritisch" beschrieben, diese Zuordnung auf der Strecke lässt, in denen andere Themen in den Vordergrund rücken - und die AfD ein Stück nach rechts.

Als erstes war da die Geschichte aus dem kleinen Doberlug-Kirchhain. Gauland hatte erfahren, dass die Einrichtung eines Asylbewerberheims in einer stillgelegten Kaserne erwogen wird. Er sprach von einem "Ghetto" und kritisierte, dass die Pläne vor der Landtagswahl verschwiegen werden sollten.

Dabei verstörte sein Duktus. So empfahl Gauland im letzten Satz, in der "hotelähnlichen Kaserne sozial schwachen Brandenburger Familien Erholung und Entspannung zu ermöglichen". Das erinnerte beklemmend an Slogans rechtsextremer Parteien. Er löste Empörung bei SPD, Linken und Grünen aus; Brandenburgs CDU machte sich das Thema dagegen zu eigen, mit deftigen Tönen.

"Lieber lasse ich mich Populist nennen, als den Wähler zu betrügen, indem ich über die wahren Probleme schweige", antwortete Gauland Kritikern. Hält man ihm vor, dass er Ressentiments bedient, widerspricht er. Man müsse solche Pläne öffentlich machen dürfen. Den Duktus bedauert er aber, distanziert sich vom letzten Satz: "Das war ein Fehler." Ansonsten macht Gauland weiter. Die Aufmerksamkeit beflügelt den Mann, der sich in Angela Merkels CDU am Rand wiederfand.

Er durfte folgenlos beklagen, dass die Kanzlerin der CDU ihre Inhalte genommen habe, mehr nicht. Gauland berichtet, dass man den Wählern in Brandenburg jetzt mit Gedanken zum Euro nicht kommen müsse. "Das interessiert sie, mal vorsichtig gesagt, kaum." Sie wollten ihn zur Asylpolitik hören, zur Grenzkriminalität - und vor allem zum Umgang mit Russland. Er ist entschieden gegen Sanktionen, das komme an.

Damit umwirbt er nun in einem Brief an die "lieben Wähler der Linken" deren Anhänger. Er bietet die AfD als neue politische Heimat an. "Die Sanktionspolitik gegenüber Russland halte ich für genauso falsch wie Sie." Sicherheit und Ordnung seien ihnen so wichtig wie der AfD. Was die DDR angehe, "finden wir Kinderbetreuung und Ärztehäuser nicht weniger sinnvoll als Sie", schrieb er: Alte Anhänglichkeiten seien gut und wichtig, aber die Linke schrumpfe, die AfD sei jung. Gauland erntet Kritik: Er biedere sich links an. Den "lieben Wählern" von CDU, FDP und Grünen schrieb er aber auch.

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SZ vom 12.09.2014
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