Süddeutsche Zeitung

Bloß kein Streit:AfD verschiebt Bundesparteitag zur Sozialpolitik

  • Die AfD hat ihren für September geplanten Sozialparteitag auf kommendes Jahr verschoben.
  • Nach Angaben aus Parteikreisen verbirgt sich hinter der Absage des September-Termins ein handfester Dissens in sozialpolitische Fragen, insbesondere in der Rentenpolitik.
  • Einen offenen Streit im September wollte die Parteiführung offenbar wegen der Landtagswahlen im Osten vermeiden.

Von Jens Schneider

Der Parteitag war gedacht als große Bühne für die AfD. Mitten in die drei wichtigen Landtagswahlen in Ostdeutschland hinein wollte die Partei in diesen Herbst einen "Bundesparteitag zu Fragen der Sozialpolitik" setzen. So hat die AfD es vor fast genau einem Jahr beschlossen. Den Antrag stellte damals Björn Höcke, der Landesvorsitzende aus Thüringen. Ziel sollte es sein, das sozialpolitische Profil der AfD zu schärfen und damit gerade auch unzufriedene Wähler im Osten anzusprechen, etwa bisherige Wähler der Linken. Am 1. September wird in Sachsen und Brandenburg, am 27. Oktober in Thüringen ein neues Landesparlament gewählt. Am Freitag nun hat die AfD-Spitze diesen für den September geplanten Sozialparteitag abgesagt. Er werde auf einen frühen Termin im Jahr 2020 verschoben, ließ der Bundesvorstand zunächst ohne weitere Erklärung mitteilen.

Auf Nachfrage nannte Parteisprecher Bastian Behrens organisatorische Gründe für die Verschiebung. Im Herbst stünden drei Wahlkämpfe in Ostdeutschland, für Ende November zudem ein Bundesparteitag für die Wahl eines neuen Bundesvorstandes an. "Den Parteitag zu Fragen der Sozialpolitik dazwischen zu quetschen, wird seiner Bedeutung nicht gerecht", so Behrens. Doch der Termin für den zweiten Bundesparteitag war auch schon vor einem Jahr bekannt, als der Sozialparteitag auf Betreiben von Höcke beschlossen wurde - und die Landtagswahlen waren ja ursprünglich der Grund dafür, dass die AfD ihr soziales Profil schärfen wollte.

Nach Angaben aus Parteikreisen verbirgt sich hinter der Absage ein handfester Dissens, den die AfD anders als erhofft nicht in den Griff bekommt. Sie ist in sozialpolitischen Fragen tief gespalten. Gerade zur Rentenpolitik kursieren seit langem viele verschiedene Konzepte.

Grundsätzlich stehen sich wirtschaftsliberale und "sozialpatriotische" Ansätze unvereinbar gegenüber. Für den einen steht etwa der Parteivorsitzende Jörg Meuthen, der im vergangenen Jahr ein Rentenkonzept vorgelegt hat und das bisherige System auf eine steuerfinanzierte Mindestrente umstellen will. Diese Grundrente sollen die Bürger durch eigene Vorsorge aufstocken. Auf der anderen Seite setzt sich etwa Höcke für ein Umlagesystem ein, bei dem es Zuschläge ausschließlich für deutsche Staatsbürger geben soll. Alle Versuche einer Annäherung sollen zuletzt gescheitert sein.

Schon seit Wochen quälte sich die AfD mit der Frage, ob sie den Zwist tatsächlich kurz vor der Landtagswahl in Thüringen öffentlich austragen sollte. Ein Streit könne der Partei schaden, warnten führende Parteimitglieder. Dagegen wollte der Thüringer Landesvorsitzende Höcke weiter am Plan festhalten. Nun hat der Parteivorstand die Verschiebung ins nächste Jahr keineswegs einstimmig beschlossen. Nach Angaben aus Vorstandskreisen stimmten acht Mitglieder der AfD-Führung dafür, es gab drei Gegenstimmen und eine Enthaltung.

So sind mit der verordneten Parteiruhe nicht alle einverstanden. "So entsteht der Eindruck, als hätte die Partei Angst vor einer wichtigen inhaltlichen Debatte", sagt der Thüringer Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl am Freitagmittag. Er ist Mitautor des Rentenkonzepts von Höcke. "Ich hätte mir", erklärt Pohl, "einen Sozialparteitag im September gewünscht." Die Mehrheit im Bundesvorstands aber zieht es offenbar vor, einen Streit auf offener Bühne zu vermeiden.

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