Landtagswahl:Haseloffs Angstgegner

Grossformatige Wahlplakate von Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Die Linke und der Alternative fuer De

Widerstandserzählung und Pöbeleien - der Wahlkampf der AfD unterscheidet sich nicht von dem, was die Partei vor der Pandemie abgeliefert hat.

(Foto: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de/Imago)

Machtkämpfe, Austritte und NS-Jargon prägten die Parlamentszeit der AfD in Sachsen-Anhalt. Trotzdem könnte die Partei die CDU überholen.

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Die Kundgebung der AfD auf dem Marktplatz in Weißenfels beginnt mit einer schlechten Nachricht: Björn Höcke kommt nicht. Egal ob in Sachsen, Brandenburg oder jetzt in Sachsen-Anhalt - der Thüringer ist ein gefragter Mann, weil er bei seinen Auftritten immer noch eins drauf setzt. Damit ist Hans-Thomas Tillschneider, eigentlich fürs Vorprogramm bestimmt, plötzlich der Höhepunkt dieses Abends. Im grünen Trachtenjanker betritt der Landtagsabgeordnete die Bühne, droht den Gegendemonstranten: Der Tag werde kommen, an dem "euer Lotterleben ein Ende haben wird". Mit Blick auf Rot-Rot-Grün warnt er vor einer "Diktatur der Perversität".

Tillschneider hat gute Kontakte zur rechtsextremen "Identitären Bewegung". Er ist ein Grund, warum der Verfassungsschutz die Partei beobachtet. Und wer sich in Weißenfels 15 Minuten sein frei vorgetragenes Gebrüll anhört, fragt sich, wie ein Höcke das noch hätte übertrumpfen sollen.

AfD-Wahlkampf in Weißenfels

Bei der Kundgebung der AfD in Weißenfels drohten Politiker Gegendemonstranten. Der Tag werde kommen, "an dem euer Lotterleben ein Ende haben wird".

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Die AfD ist im Wahlkampf, und der unterscheidet sich kaum von dem, was die Partei vor Pandemiezeiten abgeliefert hat. Während andere Parteien auf Großveranstaltungen verzichteten, touren die Vertreter dieser völkischen und in Teilen rechtsextremen Partei durchs Land. Fast jeden Tag bauen sie in einer anderen Kleinstadt ihre Bühne auf. Mal kommen 50, mal 140 Menschen wie in Weißenfels. Sie treffen auf eine Partei, die wenig zu verlieren - aber viel zu gewinnen hat. Denn während die AfD zuletzt in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Verluste einstecken musste, könnte sie in Sachsen-Anhalt am Sonntag stärkste Kraft werden. Dabei gibt es wohl keinen anderen Landesverband, der so radikal auftritt, so aggressiv.

Als die Partei 2016 in Sachsen-Anhalt erstmals zur Wahl antrat, holte sie ein Rekordergebnis: 24,3 Prozent, dazu 15 Direktmandate. Man feierte mit dem Identitären-Chef Martin Sellner, dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des erzrechten Compact-Magazins.

Mit der AfD zog eine Pöbel-Rhetorik in den Landtag ein, die man bis dahin vor allem aus finstersten Facebook-Diskussionen kannte. Als der Kinderkanal eine Sendung über die Beziehung einer jungen Frau zu einem Geflüchteten ausstrahlte, bezeichnete ein AfD-Abgeordneter den Sender als "Ficki-Ficki-Anleitungs-TV". Mit Blick auf Kriminalität warf er den Politikern anderer Parteien vor, "Blut an den Händen" kleben zu haben. Daraufhin verließen die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken den Plenarsaal. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende André Poggenburg bemühte im Landtag gerne mal NS-Jargon.

Hunderte Anfragen

Innerhalb der Fraktion kam es zu Machtkämpfen, drei Abgeordnete traten aus der Fraktion aus. 2018 musste Poggenburg von seinen Ämtern zurücktreten, heute ist er nicht mal mehr Parteimitglied. Mittlerweile leitet Oliver Kirchner die Fraktion, von einer Mäßigung ist seitdem nichts zu spüren. Die zahlreichen Ordnungsrufe der Landtagspräsidentinnen werden amüsiert zur Kenntnis genommen. Ausschnitte von Reden, in denen Abgeordnete die Bundeskanzlerin als "abgefuckt" beschimpfen und die Existenz von Corona leugnen, landen auf dem gut gepflegten Youtube-Kanal der Fraktion. Manche Videos wurden mehr als 200 000-mal angeklickt. "Der Partei geht es um die reine Selbstvermarktung", sagt die SPD-Politikerin Angela Kolb-Janssen. Eine Einschätzung, die auch Abgeordnete anderer Parteien teilen.

Fünf Jahre lang bombardierte die AfD Ministerien der Kenia-Koalition mit Hunderten Anfragen, um sich als große Aufklärerin inszenieren zu können. Sie beantragte auch die Einsetzung zahlreicher Untersuchungsausschüsse. Nicht alle waren sinnfrei. Der rechtsextreme Anschlag auf die Synagoge in Halle wurde auf Initiative der AfD parlamentarisch aufgearbeitet. "Ein Feigenblatt", nennt das der innenpolitische Sprecher der Grünen, Sebastian Striegel. Es sei zwar um die Fehler der Polizei gegangen. "Das Motiv des Täters, antisemitische und rassistische Einstellungen im allgemein, fehlten im Untersuchungsauftrag der rechtsextremen AfD."

Wie nah sind sich AfD und CDU?

Fragt man den Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der AfD, Oliver Kirchner, nach den Erfolgen seiner Partei, sagt er: "Dass wir die CDU in Bedrängnis gebracht haben." Auch dank der Unterstützung einzelner Christdemokraten setzte der Landtag 2017 eine von der AfD beantragte Kommission ein, die linksextremistische Bestrebungen im Land untersuchen sollte. Ende vergangenen Jahres verweigerte die CDU-Fraktion ihre Zustimmung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags, genauso wie die AfD.

Im Wahlkampf der CDU geht es immer auch darum, wie nah sich beide Parteien sind. Ministerpräsident Reiner Haseloff muss regelmäßig sein Versprechen erneuern, dass es keine Zusammenarbeit geben wird, auch nicht in Form einer von der AfD tolerierten Minderheitenregierung. "Wir wären die Letzten, die sich dagegen wehren", sagt AfD-Politiker Oliver Kirchner. Er weiß, dass es Kräfte in der CDU gibt, die genau mit dieser Option liebäugeln. Kräfte, die stark genug wären, die Partei nach der Wahl zu zerreißen. Und das würde der AfD schon reichen.

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