Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange ist am späten Freitagnachmittag zurückgetreten. Sie wolle der „notwendigen Geschlossenheit“ in der Regierungskoalition aus SPD und BSW nicht im Wege stehen, sagte Lange. Sie begründete ihren Schritt aber auch damit, dass sie innerhalb der eigenen Partei diffamiert werde.
Ministerpräsident Dietmar Woidke, SPD, erklärte bei der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Staatskanzlei in Potsdam, er sei „emotional angefasst“. Woidke hatte sich noch am Abend zuvor in einer Krisensitzung des SPD-Landesvorstands zum wiederholten Male hinter seine Ministerin gestellt. Die 53-Jährige gilt als enge Vertraute Woidkes, der sie seit Langem als seine potenzielle Nachfolgerin aufgebaut hatte.
„Das Signal in den Rest der Republik ist verheerend“
Lange war in den vergangenen Tagen von Teilen der Brandenburger SPD massiv wegen ihrer Amtsführung kritisiert worden. Die Jusos in Brandenburg hatten die Ministerin am Donnerstag bereits zum Rücktritt aufgefordert, Langes Unterbezirk Brandenburg an der Havel zog ihre Nominierung als stellvertretende Parteivorsitzende auf dem SPD-Parteitag im Juni zurück.
Am deutlichsten formulierte der SPD-Ortsverein Potsdam Mitte/Nord, in dem auch Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz Mitglied ist, die Kritik an der Ministerin. Es sei unverständlich, dass „ausgerechnet die SPD-Innenministerin einen Kurs einschlägt, der der AfD nach unserer Wahrnehmung mit Nachsicht begegnet, statt sie zu bekämpfen“, heißt es in einer Mitteilung. „Das Signal in den Rest der Republik ist verheerend und wird auch so kommentiert.“
Der Unmut über die Innenministerin währt bereits seit Anfang vergangener Woche, als Lange den Chef des Verfassungsschutzes Jörg Müller überraschend entlassen hatte. Anlass dafür sei die Einstufung der Brandenburger AfD als „gesichert rechtsextrem“ gewesen, über die sie nicht informiert gewesen sei, erklärte Lange anschließend.
Kurz darauf musste die Ministerin jedoch einräumen, dass sie sehr wohl über die Einstufung Bescheid gewusst habe. Verfassungsschutzchef Müller hatte sie offiziell jedoch erst drei Wochen nach der Neubewertung informiert, was rechtlich aber in Ordnung war. Die Entlassung Müllers wurde deshalb auch als politisches Manöver gewertet, Lange hatte sich öffentlich immer wieder skeptisch gezeigt, die AfD als rechtsextrem einzustufen. Bis dahin war die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall geführt worden.
Müller war bereits unter Langes Vorgänger Michael Stübgen von der CDU Chef des Verfassungsschutzes. In diesem Amt trat der allseits geachtete Müller immer wieder dafür ein, die extremistischen Tendenzen in der AfD klar zu benennen. Seine Entlassung überraschte daher auch Parteikollegen der Ministerin. Denn die Richtungsentscheidung zur Brandenburger AfD hatte schon lange festgestanden.
Die Brandenburger AfD gilt als einer der radikalsten Landesverbände
Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wollte der Verfassungsschutz den Landesverband bereits im vergangenen November zum gesichert rechtsextremistischen Beobachtungsobjekt hochstufen. Ein entsprechender Vermerk lag schon vor. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl entschied man im Potsdamer Innenministerium noch unter Langes Vorgänger Stübgen, die AfD erst nach dem Wahltermin am 23. Februar offiziell hochzustufen.
Die Brandenburger AfD unter Führung von Landeschef René Springer gilt als einer der radikalsten Landesverbände. Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt ist Mitgründer des flüchtlingsfeindlichen Vereins „Zukunft Heimat“ und eng vernetzt mit rechtsextremen Vorfeldorganisationen wie der Identitären Bewegung und der Kampagnenagentur „Ein Prozent“.
Mehr als vier Jahre lang hat der Brandenburger Verfassungsschutz Belege für den Extremismusverdacht gegen die Landes-AfD gesammelt. Zehn Aktenordner mit Hunderten Seiten soll die Sammlung inzwischen umfassen. Die Hochstufung begründen die Verfassungsschützer nach SZ-Informationen offenbar primär mit zwei Argumenten: Demnach spreche die Landes-AfD Menschen mit Migrationshintergrund ab, zum deutschen Volk gehören zu können. Und sie wende sich gegen das politische System der Bundesrepublik. Die Erkenntnisse aus Brandenburg spielen auch eine zentrale Rolle in dem 1100 Seiten starken AfD-Gutachten des Bundesverfassungsschutzes.
Die Brandenburger AfD nannte Katrin Lange am Freitagabend die „letzte Stimme der Vernunft“ in der SPD, da sie die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen gesucht habe. Deswegen erklärte auch der Koalitionspartner der SPD, das BSW, sein Bedauern über den Rücktritt Langes. Der CDU-Vorsitzende Jan Redmann wiederum bezeichnete die Entscheidung der Ministerin als „unausweichlich“. Nun müsse es darum gehen, „dass die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes schnellstmöglich wieder hergestellt wird“.