Erderhitzung:AfD und FPÖ gehören zu den größten Klimawandel-Skeptikern

Klimawandel - Junge Leute demonstrieren in Paris für besseren Klimaschutz

Schülerinnen, Schüler und Studierende demonstrieren für Klimaschutz - bei den meisten rechten Parteien stoßen sie damit auf wenig Verständnis.

(Foto: REUTERS)
  • Eine Studie aus Berlin zeigt, wie es die 21 stärksten rechten Parteien und Rechtspopulisten in Europa mit dem Klimawandel halten.
  • Fast alle lehnen Klimaschutzmaßnahmen als schädlich für die Wirtschaft und als nutzlos ab. Eine wichtige Ausnahme ist Fidesz in Ungarn.
  • Um Wähler der rechten Parteien zu gewinnen, empfehlen die Wissenschaftler, die positiven Folgen des Klimaschutzes zu betonen, statt nur vor Katastrophen zu warnen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) versucht, ein umfassendes Klimaschutzgesetz durchzubringen, das selbst Umweltschützer staunen lässt, während Tausende Schülerinnen und Schüler in den Industrienationen regelmäßig für mehr Klimaschutz demonstrieren. Vielleicht hat der extreme Sommer 2018 manchen Zweiflern die Augen geöffnet - jedenfalls wirkt es so, als ginge es ein wenig voran.

Auf der anderen Seite gewinnen ausgerechnet solche Gruppierungen gegenwärtig an Zulauf, die den Klimawandel leugnen oder Maßnahmen gegen die Erderwärmung ablehnen: rechte Populisten und ihre Parteien. Einer aktuellen Umfrage des Europäischen Parlaments zufolge könnte etwa in Deutschland die Zustimmung für die AfD bei der bevorstehenden Europawahl von sieben auf zwölf Prozent steigen. Und in immerhin sieben europäischen Staaten sind rechte Kräfte inzwischen an der Regierung beteiligt. In Polen verfügt die PiS sogar über die absolute Mehrheit im Parlament.

Der Berliner Thinktank adelphi hat nun eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie die 21 stärksten rechten Parteien in Europa tatsächlich zur Frage von Klima- und Umweltschutz stehen. Die Wissenschaftler haben für das Papier, das der SZ vorliegt, die Wahlprogramme der Parteien, öffentliche Äußerungen der Parteispitze, Pressemitteilungen und das Verhalten bei den wichtigsten Abstimmungen zur Klima- und Energiepolitik im Europaparlament untersucht.

Die meisten Rechten sind Skeptiker oder am Klima nicht interessiert

Die Ergebnisse verheißen nichts Gutes für den Klimaschutz. "Die deutsche AfD und die österreichische FPÖ gehören zu den klimapolitischen Hardlinern", sagt Alexander Carius von adelphi, "aber auch die britische Ukip." Insgesamt seien es sieben Parteien des rechten Flügels, die im Europaparlament sitzen und den anthropogenen Klimawandel leugnen, so der Politikwissenschaftler.

Neben diesen Kräften, die Fachleute als Typ I (Denialist / Sceptical) bezeichnen, gibt es elf rechtspopulistische und rechte Parteien in Europa, die das Thema kaum beschäftigt, oder sie stehen Klimaschutzmaßnahmen zumindest zurückhaltend gegenüber (Typ II: Disengaged/Cautious). Unter ihnen sind die PiS, die in Polen regiert, die Lega (früher Lega Nord), die in Italien den stellvertretenden Ministerpräsidenten und zugleich Innenminister Matteo Salvini stellt, der Rassemblement National (RN, früher Front National) von Marine Le Pen in Frankreich und die Schweizerische Volkspartei SVP.

Lediglich drei der untersuchten Parteien fordern Maßnahmen gegen den Klimawandel (Typ III: Affirmative): Fidesz, die unter Viktor Orbán in Ungarn regiert - inzwischen so autoritär, dass manche in der Fraktion der konservativen Parteien im Europäischen Parlament (EVP) deutlich auf Distanz zu der Partei gehen -, sowie die Rechten in Finnland und Litauen.

Die überwiegende Zahl der europäischen Rechtspopulisten beharrt auf einer ganz eigenen Weltsicht oder setzt zumindest eigene Prioritäten. Dabei sind immer wieder dieselben, teils objektiv falschen Argumente zu hören:

Die AfD und die britische Ukip etwa leugnen den Klimawandel schon in ihren Programmen. Und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, inzwischen Vize-Kanzler in Österreich, machte 2017 Sonneneruptionen für die Erderhitzung verantwortlich.

Umweltschutz nur dort, wo es der Heimat dient

Maßnahmen gegen die Klimaveränderung gelten den Populisten als schädlich für die nationale Industrie, nachteilig für die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb und als sozial ungerecht, da sich Teile der Bevölkerung höhere Energiekosten nicht leisten können und sie Jobs kosten würden.

Windkraft- und Solaranlagen würden die Landschaften zerstören. Mit diesem Argument versuchen sich die rechten Populisten immerhin als Umwelt- und Landschaftsschützer zu profilieren - wobei es ihnen allerdings nur um die eigene Heimat geht.

Außerdem würden die "abgehobenen Eliten" in den Regierungen mit den Klimaschutzmaßnahmen den Lebensstandard der Bevölkerung senken, während ausländische oder multinationale Unternehmen mit neuen Kraftwerken davon profitierten. Für den Rassemblement National in Frankreich, die italienische Lega und die Freiheitlichen in Österreich ist die Erderhitzung zwar bedrohlich, aber vor allem weil Klimaflüchtlinge Europa "überfluten" (Herbert Kickl, FPÖ, inzwischen Innenminister) würden, wenn Klimaveränderungen ein Asylgrund würden.

Schon reflexartig kritisieren die Populisten alle multilateralen Klimaschutz-Abkommen und solche der EU und der UN. Nicht nur würde hier - etwa von "Brüsseler Bürokraten" - in die Souveränität der Nationen eingegriffen. Die Ziele der Vereinbarungen sollen auch unrealistisch und viele Maßnahmen nutzlos sein, weil etwa die USA, China und andere wichtige Kohlendioxidproduzenten nicht genug täten.

Einige Parteien zeigen sich immerhin erneuerbaren Energien gegenüber aufgeschlossen - wenn es von rein nationalem Interesse ist. Die französischen Rechten etwa wollen der RN-Chefin Marine Le Pen zufolge unabhängig von den Golfstaaten wie Saudi-Arabien werden, die "zusätzlich zu ihrem Öl auch ihre Ideologie schicken" würden. Und die Lega in Italien sieht darin Mittel, um die Luftverschmutzung zu bekämpfen.

Weniger Technokratie - mehr positive Visionen

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass die Mehrheit der Abgeordneten der 16 rechten Parteien im Europäischen Parlament dort seit dem Pariser Abkommen von 2015 die wichtigsten energie- und klimapolitischen Vorschläge - etwa zum europäischen Emissionshandel - abgelehnt hat. Insbesondere die AfD, die Ukip, die niederländische Freiheitspartei, die Lega, der Rassemblement National, die PiS und die FPÖ waren hier im negativen Sinne konsequent. Anders sieht es mit den Rechtspopulisten aus Dänemark, Ungarn und Litauen aus, die in der Regel für die Vorschläge stimmten.

Auf der Grundlage von Umfragen und angesichts der Entwicklungen in den vergangenen Jahren, in denen rechtspopulistische Parteien und autoritäre Regierungen deutlich an Zuspruch gewannen, wagen die Wissenschaftler von adelphi eine Prognose für die Zeit nach der Europawahl:

Für die Jahre bis 2024 gehen die Fachleute davon aus, dass die Zustimmung zu klimarelevanten Vorschlägen auf 71 Prozent sinken, die Ablehnungen auf 19 Prozent und der Anteil der Enthaltungen auf 9 Prozent steigen wird. (Zum Vergleich: Diese Vorschläge fanden in den beiden Legislaturperioden von 2009 bis 2019 Zustimmung bei 86 Prozent respektive 75 Prozent der Abgeordneten.)

Auch wenn demnach die Mehrheit im Europäischen Parlament noch immer für solche Vorschläge stimmten dürfte, ist der Einfluss der Rechten den Fachleuten zufolge nicht zu unterschätzen. Die Erfahrung zeigt, dass Parteien der Mitte sich deren Positionen annähern könnten, um Wählerstimmen zurückzuholen oder sogar Koalitionen mit ihnen eingehen, um eine Regierung zu bilden.

Zudem die Bedeutung der einzelnen Parteien möglicherweise größer, weil es für die Fraktionen im Europäischen Parlament zunehmend schwieriger geworden ist, einen Konsens zu finden. Das hat sich etwa in der Frage der Verteilung von Flüchtlingen in der EU oder der Haltung gegenüber Menschenrechtsverletzungen in China gezeigt.

Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen erhöhen

Die Fachleute von adelphi beschränken sich nicht auf diese Analyse. Sie haben auch einige Vorschläge für die Politik, wie sich die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen in jenen Teilen der Bevölkerung erhöhen ließe, die jetzt die rechten Populisten wählen.

So sollte sich die Klimapolitik von dem bisherigen, eher technokratischen Ansatz verabschieden, der die soziale Realität in den Gesellschaften ignoriert hat. Dieser Fehler hat in Frankreich zu den Demonstrationen der Gelbwesten gegen höhere Steuern auf fossile Brennstoffe geführt.

Nun kommt Klimapolitik zwar ohne Regulierungen nicht aus, und es wird unweigerlich Verlierer geben auf dem Weg in eine Welt, die auf fossile Brennstoffe verzichtet. Deshalb, sagt Carius, "bedürfen klimapolitische Maßnahmen einer sozialpolitischen Abfederung". Und sie sollten im Dialog mit den zu Recht besorgten Betroffenen vorgenommen werden.

So ließe sich das Misstrauen gegenüber den demokratischen Institutionen und den angeblich "abgehobenen" Eliten sowie gegen multilaterale Abkommen abbauen, ohne die grenzüberschreitender Klimaschutz gar nicht möglich ist.

Der Sommer von 2018 hat mit Waldbränden, Überflutungen und vielen Hitzetoten gezeigt, was allein Europa schon durch die Erderwärmung droht. Darauf haben die Rechten keine überzeugenden Antworten. In den sozialen Netzwerken, so empfehlen die adelphi-Experten, sollten ihre "Fake News" widerlegt werden. Allerdings ohne diejenigen zu stigmatisieren, die ja überzeugt werden sollen.

Wichtig ist Alexander Carius zufolge, "nicht nur über drohende Schreckensszenarien" zu sprechen, sondern positive Zukunftsvisionen vorzustellen, mit höherer Lebensqualität etwa durch saubere Luft, bessere Gesundheit für alle, unzerstörte Natur und Artenvielfalt.

Dass es keine Illusion ist, Klimaschutzmaßnahmen sozial verträglich umzusetzen, zeigen etwa die Beispiele Schweiz und Schweden. "Dort gibt es eine CO2-Bepreisung", sagt Carius. "Die Einnahmen daraus kommen den Bürgern über Steuergutschriften und Krankenkassenbeiträge zugute." Solche Erfolgsgeschichten lassen sich nutzen, um Hoffnung zu wecken.

Und mit Schlagworten wie Empathie und Solidarität, so hoffen die Wissenschaftler, ließen sich die Menschen besser dazu bewegen, Klimaschutzmaßnahmen zu akzeptieren und zu unterstützen als mit der Warnung, inzwischen sei alles schon "zu spät".

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