Umgang mit Extremisten:Die AfD wird nervös

Andreas Kalbitz und Björn Höcke

Der inzwischen aus der AfD ausgeschlossene Andreas Kalbitz (l.) und der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke (r.)

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Partei hat große Mühe, das Problem mit den äußerst Rechten aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen. Das hat auch damit zu tun, dass die Parteispitze selbst in dieser Frage uneins ist.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Wie groß die Angst der AfD vor einem härteren Vorgehen des Verfassungsschutzes im großen Wahljahr 2021 ist? Eine Entscheidung kurz vor Weihnachten zeigte die enorme Nervosität in der Parteispitze. In der letzten Sitzung vor dem Fest löste der Bundesvorstand auf Betreiben von Parteichef Jörg Meuthen den bisherigen Chef der sogenannten Arbeitsgruppe Verfassungsschutz, Roland Hartwig, ab. Als Leiter dieser fünfköpfigen Gruppe sollte der Jurist und Bundestagsabgeordnete für die AfD Strategien gegen eine mögliche Beobachtung der ganzen Partei durch den Inlandsgeheimdienst entwickeln. Doch Hartwig habe intern eher empfohlen, den Verfassungsschutz zu ignorieren, statt die äußerst rechten AfD-Leute des inzwischen aufgelösten "Flügels" in die Schranken zu weisen, hieß es aus Meuthens Umfeld.

Die Personalie spricht Bände. Die AfD hat große Mühe, das Problem mit den äußerst Rechten aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen. Das hat auch damit zu tun, dass die Parteispitze selbst in dieser Frage uneins ist. Es fängt ganz oben an. Während Meuthen als der eine Vorsitzende die Rechtsaußen-Leute, mit denen er einst gern zusammenarbeitete, inzwischen loswerden will, setzt der zweite Parteichef Tino Chrupalla weiter auf Kooperation. Allemal gilt das für die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel und Alexander Gauland, die Meuthens Kurs für einen Irrweg halten.

Der AfD-Ehrenvorsitzende Gauland meint, dass die Partei wortgewaltige Leute wie den Thüringer Landesvorsitzenden und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke für ihren Erfolg brauche. Nach seiner Auffassung gab es für die Partei ohnehin kaum eine Chance, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz abzuwenden, weil sie politisch gewollt sei. Das hat Gauland seinem früheren Weggefährten Meuthen intern entgegengehalten. Am Ende würde, so Gauland, das Bundesverfassungsgericht entscheiden, nach einer Klage durch die Partei.

Meuthen verwies dagegen darauf, dass in den Dossiers des Verfassungsschutzes vor allen Höcke und der inzwischen ausgeschlossene Andreas Kalbitz vielfach genannt würden als Beleg für deren problematische politische Haltung. Höcke sei nun aber nichts mehr als der Landesvorsitzende eines kleinen Verbands und ohne größeren Einfluss, argumentierte Meuthen, und Kalbitz nicht mehr dabei.

Auf dem letzten Bundesparteitag in Kalkar wirkte die extreme Rechte auffallend schwach

Auf Meuthens Betreiben hin wurde - gegen den Willen von Chrupalla, Gauland und Weidel - das frühere Bundesvorstandsmitglied Kalbitz im vergangenen Jahr ausgeschlossen. Auch einige weitere extreme Kräfte mussten die Partei verlassen. Der rechtsextreme "Flügel" ist offiziell aufgelöst. Aber weg ist er eben nicht, auch wenn auf dem letzten Bundesparteitag in Kalkar die extreme Rechte auffallend schwach wirkte und bei Nachwahlen zum Bundesvorstand Niederlagen erlitt. In der Partei kursieren Gerüchte, dass die Radikalen weiter versuchen, in Chatgruppen zu kommunizieren. In Kalkar scheiterten "Flügel"-Leute bei den Vorstandswahlen äußerst knapp.

Das äußerst rechte Lager sei zwar geschwächt, heißt es danach. In Kalkar fiel auf, dass es keinen prominenten Widersacher zu Meuthen gab, Höcke stellte sich nicht der Debatte. Das äußerst rechte Lager, dem manche längst auch Gauland zurechnen, erschien unsortiert. Geschlagen aber sei es noch nicht. Gerade versuchten radikale Kräfte in Landesverbänden zurückzuschlagen, erzählen führende AfD-Vertreter.

Wie verwurzelt sie sind, lässt sich gut in Brandenburg beobachten. Gaulands Heimatverband wird schon lange eindeutig dem ganz rechten Flügel zugeordnet. Meuthen hoffte, nach dem Ausschluss von Kalbitz dort gemäßigtere Kräfte nach vorn schieben zu können. Fünf Monate nach Kalbitz' Rauswurf wählte die Landtagsfraktion in Brandenburg im Oktober als neuen Chef Hans-Christoph Berndt und setzte so ihren äußerst rechten Kurs fort, statt ihn zu beenden. Auch er sei ein "erwiesener Rechtsextremist", hieß es vom Landesverfassungsschutz. Zu Kalbitz, der weiter im Parlament sitzt, pflegt die Fraktion enge Verbindungen. So richtig weg ist er nicht. Und in Thüringen wurde Höcke als Vorsitzender bestätigt.

In der Parteispitze dürfte eine Entscheidung des Verfassungsschutzes den Streit weiter forcieren. Auf Meuthens Betreiben wurde zwar der Jurist Knuth Meyer-Soltau als Nachfolger des Bundestagsabgeordneten Hartwig zum neuen Chef jener Arbeitsgruppe ernannt, die seit dem September 2018 nach Strategien gegen eine Beobachtung durch die Verfassungsschützer sucht. Fraktionschefin Weidel erregte sich im Dezember, die Arbeitsgruppe sei von der Mehrheit im Bundesvorstand "ohne Not zerschossen" worden. Meuthen indes ist mit sich zufrieden. Inzwischen, so heißt es aus dem Vorstand, arbeite die Gruppe wieder.

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