AfD:Rechts oder rechter

AfD-Landesvorsitz im Südwesten

Alice Weidel will ihren Landesverband führen.

(Foto: Sina Schuldt/dpa)

Alice Weidel tritt in ihrem zerstrittenen Landesverband gegen Leute von Björn Höckes extremem "Flügel" an. Mit ihrem Fraktionskollegen Martin Hess peilt sie eine Doppelspitze an. Offen ist, ob sie den Landesverband einen kann.

Von Markus Balser, Claudia Henzler und Jens Schneider, Berlin/Stuttgart

Sogar in der AfD selbst sind sich Beobachter nicht sicher, auf welchem Stand die Krise ihrer Partei in Baden-Württemberg gerade ist: Auf dem Weg zu einer Lösung oder doch mitten im Chaos? Am Dienstag kündigte der amtierende Landesvorstand seine eigene Auflösung für Freitag, 24 Uhr an. Ihr Heimatverband sei "heillos zerstritten", sagt die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Alice Weidel. Am Wochenende will sie selbst für den Landesvorsitz kandidieren, es könnte mal wieder hässlich werden.

Der Landesverband Baden-Württemberg ist von den Wahlergebnissen her der stärkste im Westen und zugleich der mit den ärgsten Zänkereien. Schon die Ankündigung des geschlossenen Rückzugs des Landesvorstands wurde von Warnungen begleitet, wonach die Ersten bereits wieder über einen Rücktritt vom Rücktritt nachdächten. In jedem Fall soll am Wochenende die zerrüttete Südwest-AfD bei einem Sonderparteitag in Böblingen entscheiden, welche Richtung sie einschlägt: rechts oder noch rechter?

Gemäßigte Kräfte um den bisherigen Landesvorsitzenden Bernd Gögel, der nicht erneut kandidiert, liefern sich seit Monaten einen erbitterten Machtkampf mit Vertretern des völkisch-nationalen "Flügels" der AfD. Als dessen führender Vertreter im Südwesten gilt Emil Sänze, der beim Landesparteitag vor einem Jahr Gögel unterlegen war - und in Böblingen erneut antreten wird. Gögels Co-Landeschef ist seitdem Dirk Spaniel, der auch als Mann des "Flügels" gilt und sich nun ebenfalls um den Vorsitz bewirbt. Wie sich der Landesverband positioniert, gilt als richtungsweisend auch über Baden-Württemberg hinaus. Zum einen, weil sich zeigen wird, wie stark der "Flügel" um seinen Gründer, den rechtsnationalen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, nach den Turbulenzen um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen außerhalb seiner Hochburgen im Osten ist. Zum anderen, weil Berliner Prominenz mitmischt.

Den Akteuren im Südwesten traut die AfD-Spitze eine Einigung nicht mehr zu. Neben Weidel will ihr Fraktionskollege Martin Hess antreten. "Wir brauchen eine Neuaufstellung", sagte Hess in Berlin. Der bisherige Landesvorstand sei "suboptimal aufgestellt". Wer das zu verantworten habe, könne nicht wieder kandidieren. Weidel sagt, das Amt sei "natürlich zeitaufwendig, vor allem in der derzeitigen Lage". Sie setze auf Synergieeffekte, da sie im Bundestag und im AfD-Bundesvorstand der Spitze angehört. So brauche es keinen "Anbahnungsprozess".

Doch offen ist, ob Weidel den Landesverband einen könnte. Auch sie ist umstritten. Gern erinnern interne Gegner an ihre Spendenaffäre. Im Bundestagswahlkampf 2017 überwies eine Schweizer Pharmafirma in mehreren Tranchen etwa 132 000 Euro an Weidels Kreisverband am Bodensee. Das Geld wurde später zurückgeschickt. Doch die Staatsanwaltschaft Konstanz ermittelt, der Partei droht eine Strafzahlung von rund 396 000 Euro. Die AfD allerdings erklärt, es sei eine "persönliche Wahlkampfspende" gewesen und daher juristisch unproblematisch. Wegen der drohenden Strafe gab es bereits auf dem vergangenen Bundesparteitag Unmut. Dort wurde die Forderung laut, dass die Verursacher von Strafzahlungen persönlich haften sollen.

Weidel wäre zudem nicht die erste AfD-Führungskraft, die den Zwist im Südwesten nicht in den Griff bekommt. Schon der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen hatte ohne Erfolg versucht, die seit Gründung des Landesverbands schwelenden Lagerkämpfe aufzulösen.

Mit Meuthen als Fraktionschef - er sitzt inzwischen im Europäischen Parlament - verzeichnete die AfD im März 2016 ihr bisher bestes Ergebnis im Westen, mit 15,1 Prozent. Doch die damals größte Oppositionsfraktion hat sich im Stuttgarter Landtag selbst zerlegt, ist nun kleiner als die SPD. Zuerst war der Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Der Vorgang war so umstritten, dass sich die Fraktion 2016 vorübergehend spaltete. Kurz darauf wechselte eine Abgeordnete zur CDU, ein Jahr später ein weiterer in die Fraktionslosigkeit. Und Ende November 2019 haben noch zwei als gemäßigt geltende Parlamentarier entnervt Partei und Fraktion verlassen.

Weidel peilt mit ihrem Kollegen Hess eine Doppelspitze an. Die Chefin der AfD-Bundestagsfraktion sagt, sie wolle, dass wie in Berlin "ideologische Kämpfe zwischen den unterschiedlichen Parteiströmungen keine Rolle spielen". Selbst in Berlin hat sich die Landesgruppe der AfD aus Baden-Württemberg allerdings schon oft gezofft.

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