Süddeutsche Zeitung

Brisante Parteitagsbeschlüsse:AfD rückt weiter nach rechts

Nein zur EU und zum Familiennachzug, Ja zu Grenzzäunen und der Prüfung eines liberaleren Waffenrechts: Auf ihrem Parteitag verschärft die AfD ihr Wahlprogramm.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Es sollte ein Parteitag ohne Irritationen werden, diszipliniert und geschlossen wollte die AfD ihr Wahlprogramm in Dresden beschließen. Die Partei bewege sich in den aus früheren Programmen bekannten Bahnen, hieß es vorab. Tatsächlich prägten den Parteitag dann Debatten und Abstimmungen, bei denen die AfD ihr Wahlprogramm verschärfte, mit oft knappen Entscheidungen. Und dabei ging es nicht allein um die Forderung, Deutschland solle die Europäische Union verlassen.

Eine auffällige Rolle spielten Björn Höcke - der Thüringer AfD-Vorsitzende - und seine äußerst rechten Unterstützer, von denen viele dem offiziell aufgelösten Netzwerk namens "Flügel" verbunden waren. Als Höckes Leute am Sonntag beantragten, das Asylrecht massiv zu verschärfen, wurde heftig über das Recht auf einen Familiennachzug für die Angehörigen von anerkannten Asylbewerbern debattiert. Delegierte warnten vor einer "inhumanen" Entscheidung, die rechtlich gar nicht umsetzbar sei.

Dann trat Höcke ans Mikrofon. "Liebe Freunde", begann er und erklärte, dass die rechtlichen Bedenken bei einem Wahlprogramm doch keine Rolle spielen sollten. Es gehe "einzig und allein darum, ein politisches Zeichen zu setzen", sagte der Thüringer Landeschef. Die fast 600 Delegierten folgten Höcke. Sie besiegelten die "Ablehnung jeglichen Familiennachzuges für Flüchtlinge".

Die Botschaft, die die AfD von ihrem Dresdener Parteitag ins Land schickte, fiel eindeutig aus: Die äußersten Rechten sind wieder da. Und sie treten vollständig selbstbewusst auf. Sie formulierten ihren Machtanspruch, sprachen so oft wie lange nicht in die Mikrofone und setzten sich an entscheidenden Stellen durch. So schafften sie es, das Programm der vor acht Jahren als europakritisch gegründeten AfD zu verschärfen.

Fachkräftemangel? Kein Einwanderungsgrund

Besonders sichtbar wird das in der Migrationspolitik. Beschlossen wurde eine noch restriktivere Linie zur Aufnahme von Menschen in Not. Bei der Auswahl soll ein mit der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbarer "kultureller und religiöser Hintergrund ein wichtiges Kriterium" sein. In ihren Gründungsjahren hatte die AfD mit Blick auf den Arbeitsmarkt stets erklärt, sie sei nicht grundsätzlich gegen Einwanderung, wolle aber eine kontrollierte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Als Modell sollten Kanada oder Australien gelten. Nun aber hat der Parteitag kurzerhand dafür votiert, das migrationspolitische Leitbild neu auszurichten - und auf Abriegelung zu setzen.

Die Delegierten stimmten nach Höckes Intervention für das "japanische Modell", das einer besonders restriktiven Einwanderungspolitik entspricht. Und sie beschlossen, dass es einen Mangel an Fachkräften als Grund für Zuwanderung gar nicht gebe. Der von der Wirtschaft immer wieder beklagte und nachgewiesene Fachkräftemangel sei ein "konstruiertes Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine", heißt es nun im Bundestagswahlprogramm.

Der entschiedene Nationalismus aber soll noch weiter reichen. Bisher hatte die AfD stets erklärt, ein Austritt aus der Europäischen Union solle nur Ultima Ratio sein, falls eine Reform der EU in ihrem Sinne nicht möglich wäre. Dabei hätte es nach den Vorstellungen etwa des Parteichefs Jörg Meuthen auch bleiben sollen. Er warb dafür und verwies darauf, dass er im Europäischen Parlament mit Partnern aus anderen Ländern für die Ziele der AfD Allianzen schmieden könne.

Die Europäische Union? Nicht reformierbar

Vergeblich. Die AfD erklärte den Austritt aus der EU für notwendig, das Bündnis sei nicht reformierbar. Zur Sicherung der Grenzen wünscht sich die Partei, so wird es im Wahlprogramm stehen, physische Barrieren an den Landesgrenzen. Sie würde gerne wieder Grenzzäune einführen. Die Befürworter des Beschlusses verwiesen etwa auf Israel.

Besondere Aufmerksamkeit könnte im Wahlkampf noch ein Beschluss zur Bundeswehr erhalten. Hinzugefügt wurde unter der Überschrift "Wiederherstellung der Wehrfähigkeit" die Zielsetzung, dass die Bundeswehr "wieder einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte pflegen" solle. "Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben", heißt es. Sie würden helfen, "soldatische Haltung und Tugenden" auch in der Öffentlichkeit zu manifestieren. "Militärisches Liedgut" und Brauchtum seien Teil davon.

Nur knapp scheiterte zudem ein Antrag für eine Forderung, das Waffenrecht zu liberalisieren. Geworben hatte dafür der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt. Ihm seien mehrere AfD-Abgeordnete bekannt, die vergeblich einen Waffenschein beantragt hätten, sagte er - und begründete den Vorstoß damit, dass sich AfD-Mitglieder schützen wollten. Diese Abgeordneten seien an Leib und Leben gefährdet.

Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber zur weiteren Prüfung an einen Parteiausschuss überwiesen. Aus der Partei selbst wurde Tillschneider von einem eher moderaten Berliner Bundestagsabgeordneten entgegnet, dass eine solche Formulierung im Wahlprogramm den Effekt haben könnte, "dass man sagen wird, die AfD will sich selbst bewaffnen".

Auch eine strengere Klimaschutzpolitik lehnt die AfD ab. Zwar bestreitet sie den Klimawandel nicht, bezweifelt aber die von der Wissenschaft dokumentierten und vorausgesagten Folgen. Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den Wandel des Klimas zu führen, solle sich Deutschland an die veränderten Bedingungen anpassen, so wie es Pflanzen und Tiere auch täten, heißt es lapidar.

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