AfD-Parteitag in Augsburg:Läuft bei denen

  • Die AfD hat keinen klaren Kurs in der Sozialpolitik. Während ein Flügel um Parteichef Meuthen das Heil in Privatisierungen sieht, wollen die Rechtsnationalen um Björn Höcke Politik für den "kleinen Mann" machen.
  • Auf dem Parteitag in Augsburg werden die Meinungsverschiedenheiten deutlich, der Streit aber wird vertagt.
  • Die Partei strotzt vor Selbstbewusstsein. Sie profitiert davon, dass die Asylpolitik alles andere überlagert.

Von Benedikt Peters, Augsburg

Der Schlüsselmoment ereignet sich am Mittag, gegen zwanzig nach zwölf. Vorn auf dem Podium tritt AfD-Chef Jörg Meuthen ans Mikrofon, und die Delegierten auf dem Parteitag wissen da noch nicht, auf was sie sich gefasst machen müssen. Meuthen hatte zwar eine "richtungsweisende Rede" angekündigt. Aber dass er jetzt beinahe eine geschlagene Stunde sprechen wird? Augenreiben, Gähnen, manche verlassen den Saal. Ist auch furchtbar warm hier drin.

Die Delegierten wären wohl besser geblieben, denn auch wenn Meuthen nicht gerade mitreißend spricht: Das, was er in seiner Rede sagt, könnte in der AfD noch für allerhand Streit sorgen. Man kann das an einem Herrn erkennen, der nicht gähnt und nicht den Saal verlässt.

Björn Höcke, der thüringische Landeschef und Parteirechtsaußen, bleibt auf seinem Platz sitzen, vorne links in der zweiten Reihe. Er zückt den Stift und macht sich eifrig Notizen. Runzelt die Stirn. Tippt energisch in sein Handy. Und er klatscht kein einziges Mal bei dem, was Meuthen vorn über seine Vorstellungen von "Sozialpolitik" sagt.

Meuthen ist Professor für Volkswirtschaftslehre, und er ist einer der prominentesten Köpfe des wirtschaftsliberalen Flügels der Partei. Auf dem Podium trägt er nun vor, warum das staatliche Rentensystem eine Mogelpackung sei, warum die Bürger viel zu viel einzahlten. Die AfD hat noch kein eigenes Rentenkonzept entwickelt, Meuthen will dafür mit seiner Rede die Richtung vorgeben. Das Grundprinzip bei der Altersvorsorge solle Privatisierung lauten, fordert er. Und dann solle der Staat sich darauf konzentrieren, "den wirklich Hilfsbedürftigen zu helfen".

"Stärkste Partei des Ostens" - das ist das Ziel der AfD

Höcke hat irgendwann aufgehört, in sein Handy zu tippen, er sitzt jetzt mit verschränkten Armen da. Der 46-Jährige, der in der Vergangenheit wiederholt mit extremen Äußerungen provozierte, verkörpert in der Partei das sozialpolitische Gegenstück zu Meuthen - und auch zur Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel, die lange als Unternehmensberaterin arbeitete.

Höcke hat 2019 eine Landtagswahl vor der Brust, und er ist überzeugt, dass er sie mit dem viel bemühten "kleinen Mann" gewinnen kann. Die AfD müsse die Themen Identität und soziale Gerechtigkeit verbinden, sagt er in Augsburg. So könne die AfD zur "Volkspartei" werden, zur "stärksten Partei des Ostens".

AfD-Bundesparteitag

AfD-Rechtsaußen Björn Höcke auf dem Podium beim Bundesparteitag in Augsburg.

(Foto: dpa)

Nicht nur Thüringen, auch Sachsen und Brandenburg wählen im kommenden Jahr. Die drei mächtigen Landesverbände sind sich einig darin, dass es auf die Sozialpolitik ankommen wird. Und sie ringen dem Parteitag in Augsburg ein Zugeständnis ab: Die AfD wird einen Sonderparteitag zu dem Thema abhalten, er soll im Osten stattfinden, vermutlich in Sachsen.

In Augsburg brechen die Meinungsverschiedenheiten nicht offen aus, auch weil Meuthen selbst immer wieder betont, er sei ja auch ein Anhänger der "sozialen Marktwirtschaft". Einmal sagt er auch, es könne nicht sein, dass Rentner heutzutage in Deutschland Pfandflaschen sammeln müssten.

Die AfD kann machen was sie will - das zeigt der Auftritt Gaulands

Höcke bleibt ebenfalls höflich, er dankt dem Parteichef für seine "wichtigen Ausführungen". Wie aber Meuthens Privatisierungsideen mit Höckes Position zusammen passen sollen - zuletzt schimpfte er etwa auf den Niedriglohnsektor in Deutschland und die Zerstörung des staatlichen Rentensystems - das bleibt offen. Der Streit wird vertagt.

Es ist schon paradox: Da ist eine Partei Oppositionsführerin im Bundestag, obwohl sie sich zu wichtigen Fragen noch gar nicht richtig positioniert hat. Der Wähler hat nicht nur keine Ahnung davon, welche Vorstellungen die AfD für die Rente hat, es fehlt zum Beispiel auch an einem umfassenden Konzept zu Gesundheits-, Pflege- und Wohnungspolitik.

Und trotzdem läuft es prächtig bei der AfD. Die Umfragewerte liegen stabil über dem Bundestagswahlergebnis, zwischen 14 und 16 Prozent. Mit der gerade erst beschlossenen Verschärfung der Asylpolitik betreibt die Bundesregierung zudem ein Stück weit die Politik der AfD.

Es ist daher schwer einzuschätzen, ob das, was die Parteispitzen in Augsburg so von sich geben, nun Größenwahn ist oder ein denkbares Szenario. Man werde bald den "ersten blauen Ministerpräsidenten stellen", das sagt nicht nur Höcke, das glauben hier etliche. Wenn man sich die aktuellen Umfrageergebnisse in Brandenburg und Sachsen ansieht, erscheint das tatsächlich nicht völlig unrealistisch. Zumindest stärkste Partei könnte die AfD werden.

Ein weiterer Konflikt schwelt an diesem Samstag nur am Rand, er hat mit Alice Weidel zu tun, der Bundestagsfraktionschefin. Angesichts der nahenden Landtagswahl in Bayern, deretwegen die AfD diesen Parteitag in Augsburg abhält, hatte Weidel eine Koalition mit der CSU in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als "möglich" bezeichnet. Hinter den Kulissen empört das viele, die die AfD als Fundamentalopposition ansehen. Zum offenen Streit darüber kommt es aber nicht - vielleicht sind die Umfrageergebnisse einfach zu schön.

Dass der Streit um die Asylpolitik alles überdeckt und dass dies vor allem der AfD nutzt, das verdeutlicht an diesem Tag in Augsburg vor allem der Auftritt von Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Vor einigen Wochen war er völlig entgleist, als er auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative sagte, "Hitler und die Nazis" seien "nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" gewesen. Innerparteilich, so heißt es, sei Gauland dafür heftig kritisiert worden. Wirklich geschadet aber hat es der AfD nicht.

Und so ist der Jubel groß, als Gauland die Bundesregierung mit dem DDR-Regime vergleicht. "Merkel fällt, egal, wie lange sie noch mit den Armen rudert", ruft Gauland. Das aber, beeilt er sich zu sagen, reiche nicht. Mit Merkel müsse "ein ganzer Apparat, ein ganzes System weg". Lautes Johlen im Saal. Sie glauben hier, dass die Bundesregierung tatsächlich vor dem Kollaps steht, dass sie bald am Ziel sind. Am Ende seiner Rede herzen sie ihren Parteichef, spenden minutenlangen Applaus, erheben sich von den Sitzen. Die AfD strotzt in diesen Tagen vor Selbstbewusstsein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: