AfD-Parteitag in Aschaffenburg:Marschrichtung "Mut zu Deutschland"

AfD-Bundesparteitag

Das Motto steht, die klatschenden Delegierten ebenfalls: AfD-Chef Bernd Lucke.

(Foto: dpa)

Die AfD will auf ihrem Parteitag die Kandidaten für die Europawahl bestimmen. Den Slogan hat Parteichef Lucke bereits vorgestellt: "Mut zu D-EU-tschland". Die Delegierten sind begeistert. Fraglich bleibt, ob die Partei diese Fassade der Geschlossenheit aufrecht erhalten kann.

Von Kathrin Haimerl, Aschaffenburg

Und dann ist es raus, das Motto, mit dem die Alternative für Deutschland (AfD) in den Europawahlkampf ziehen will: "Mut zu Deutschland", soll es lauten. Bernd Lucke wirft das Motto an die Leinwand: "Mut zu D EU tschland" steht da auf blauem Untergrund, das "EU" umrandet von gelben Sternen. Die Delegierten können sich nicht mehr auf den Plätzen halten, es gibt stehende Ovationen für das Motto; nur einzelne Delegierte bleiben sitzen, ihre Gesichter sind nachdenklich. Der Spruch dürfte im wertkonservativen Flügel der Partei als klares Signal verstanden werden. Und Lucke ist sich dessen auch bewusst: "Mit dieser politischen Botschaft werden wir im Europawahlkampf den heftigsten Anfeindungen ausgesetzt sein."

Parteichef Lucke spielt sein übliches Spiel, und das sehr geschickt: Die Euro-Kritik in seiner Rede ist fundiert und gut begründet, auf dem Parteitag in Aschaffenburg zeigt er sich in Hochform. Er trägt ein graues Sacko, eine rotgestreifte Krawatte und einen AfD-Anstecker am Revers. Von Anspannung keine Spur. Im Gegenteil: Lucke gibt sich kampfeslustig, reißt Witze auf Kosten von CSU-Chef Horst Seehofer, von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der SPD. Zu Merkel: "Die SPD stellt den Wirtschaftsminister, die Umweltministerin, die Familienminister, die Bundeskanzlerin ..." Gelächter. "Ach nein, stimmt nicht. Das merkt man bei Merkel nicht immer, aber ich glaube, sie ist für die CDU gewählt worden."

Das gefällt den enttäuschen Konservativen, die wie Lucke aus der CDU ausgetreten sind, weil deren Politik ihnen zu sozialdemokratisch geworden ist. Sie klatschen, jubeln. Auf große Begeisterung stoßen auch Luckes satirische Wahlplakate für die anderen Parteien, zum Bespiel für die FDP: "Noch mehr Europa. Noch mehr Schulden. Nur mit uns." Luckes Rede ist klug, witzig und wortgewandt, die Delegierten sind begeistert. Der Applaus am Ende ist lang und laut.

Es ist ein wichtiger Parteitag für die AfD: Er soll die Weichen für den Einzug ins Europaparlament stellen. Die Delegierten sollen Lucke und Ex-Industriepräsident Hans-Olaf Henkel auf die Spitzenplätze setzen. Die ersten Listenplätze sind begehrt, winken doch möglicherweise die ersten Mandate im Europaparlament. In Umfragen liegt die Partei derzeit zwischen drei und vier Prozent.

Machtkampf hinter den Kulissen

Kaum eine andere Partei hat bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr für so viel Wirbel gesorgt: Aus dem Stand heraus schaffte es die AfD auf 4,7 Prozent - und verpasste nur knapp den Einzug in den Bundestag (in dieser Grafik sieht man, woher die AfD-Wähler kamen - unter anderem auch von den Grünen).

Doch hinter den Kulissen toben seit Monaten ideologische Grabenkämpfe, Chaosparteitag folgte auf Chaosparteitag, ein Landesverband stand plötzlich ohne Parteivorstand da. Es geht um die Ausrichtung der Partei zwischen wertkonservativ, wirtschaftsliberal bis hin zu offen rechtspopulistisch.

Der Politikwissenschaftler Andreas Häusler, der für die Heinrich-Böll-Stiftung eine Studie über die AfD angefertigt hat, erwartet, dass sich die Mitglieder an diesem Samstag zusammenreißen, um ein nach außen geschlossenes Bild abzugeben: Es dürfe bei diesem Parteitag einfach nicht zum Eklat kommen, zu Querelen und Streitereien wie auf den vergangenen Landesparteitagen, glaubt Häusler. Die Mitglieder dürften sich an diesem Samstag zusammenreißen, die internen Streitereien ruhen lassen. "Die Parteibasis hat verstanden", sagt Häusler.

Existenzielle Frage: Europawahl

Denn die Europawahl dürfte nach Häuslers Einschätzung existenziell für die Partei werden: Sollte der Einzug scheitern - bei der Europawahl gilt lediglich eine Drei-Prozent-Hürde - dann dürfte die Enttäuschung über ihre Niederlage die Partei zerreiben.

Geschlossenes Auftreten - ob das gelingt, ist fraglich. Denn erst vor wenigen Tagen hat sich unter der Bezeichnung "Kolibris" eine Plattform Konservativer und Liberaler in der AfD gegründet. Sie kritisieren, dass die Partei in der Gesellschaftspolitik zu konservativ wahrgenommen wird. So heißt es in einem Beitrag, den unter anderem Pressesprecherin Dagmar Metzger mit verfasst hat: "Es gibt zahlreiche Bürger, die zwar laut nach Freiheit schreien, aber sobald sie eine Frau mit Kopftuch oder ein Händchen haltendes gleichgeschlechtliches Paar erblicken, ist es mit ihrer Freiheitsliebe nicht mehr allzu weit her."

Der Satz ist sehr allgemein gehalten, er dürfte in der Partei dennoch als Seitenhieb auf islamophobe und homophobe Tendenzen verstanden werden. Der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke hatte kürzlich für Wirbel mit seiner Kritik am Coming-Out von Thomas Hitzlsperger gesorgt. Lucke hatte kritisiert, das Coming-Out verlange weniger Mut als eine klare Würdigung von Ehe und Familie.

Konservative bringen sich in Stellung

In Stellung brachten sich auch die Wertkonservativen der Partei: Im Magazin Cicero veröffentlichte Marc Jongen, AfD-Programmkoordinator in Baden-Württemberg ein "Manifest für eine Alternative für Europa". Er steigt denn auch mit einem Marx-Zitat in seinen Text ein: "Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst der AfD". Jongen plädiert aber nicht etwa für eine kommunistische Neuausrichtung der AfD, vielmehr setzt er sich für eine "starke Positionierung" der "konservativen Avantgarde" ein. Liberal und konservativ sieht er dabei nicht als Widerspruch: "Genuin liberal zu sein, heißt heute, konservativ zu sein. Zuweilen sogar reaktionär." Der Euro dürfe dabei nicht das einzige und auch nicht das wichtigste Thema der AfD bleiben.

Und in der FAZ räumt der stellvertretende Bundessprecher Alexander Gauland offen ein, dass es sich bei den internen Auseinandersetzungen um einen ideologischen Streit handle: zwischen volkswirtschaftlich Gebildeten, die in der Euro-Politik einen Verstoß gegen marktwirtschaftliche Prinzipien sehen, und Protestwählern, die gegen viele gesellschaftliche Entwicklungen aufbegehren.

Wohin die Richtung geht, zeigen die Thesen, die an diesem Samstag zur Abstimmung stehen dürften. Bislang hat es die AfD vermieden, sich in zentralen Fragen abseits der Euro-Thematik zu positionieren. Die Diktion der Parteiführung war, dass der rechtsaußen-Flügel programmatisch nicht in Erscheinung treten solle, so Häusler im SZ-Gespräch.

Unwillkommenes Treffen

Das dürfte sich nun ändern. Mit den Thesen steigt die AfD voll in die Debatte um die sogenannte Armutszuwanderung ein: Eine "ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme" müsse unbedingt unterbunden werden. Zur Abstimmung steht auch die These, wonach künftig "Abschiebungen bei Überschreiten eines bestimmten Strafmaßes als Regelfall ohne weitere Einschränkungen möglich" sein sollten. Und: "Die Kontrolle der EU-Außengrenzen betrachten wir als elementar um einen unkontrollierte Zuwanderung in die EU-Staaten zu verhindern."

Der AfD-Parteitag findet in der Frankenstolz-Arena in Aschaffenburg statt. Wie es der Zufall so will, findet sich an diesem Samstag in der Lounge der Halle noch eine andere Partei ein, die mit der Debatte um Zuwanderung auch am rechten Rand fischt: die CSU. Die hat nämlich an diesem Samstag dort ihren Neujahrsempfang. Wie das Main-Netz berichtet, hätten die Parteien von der Ortswahl der jeweils anderen nichts gewusst.

Die Freude über die örtliche Nähe dürfte sich bei beiden Parteien in Grenzen halten. Den CSU-Vorschlag einer Pkw-Maut für Ausländer hatte AfD-Chef Lucke als populistischen "Schwachsinn" abgetan.

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