Süddeutsche Zeitung

AfD:Die Nächste bitte

Mit Joana Cotar verlässt seit der Bundestagswahl bereits die vierte Abgeordnete die AfD. Cotar gehört zum moderaten Flügel und wirft ihrer Partei Mobbing und Anbiederung an Putin vor.

Von Roland Preuß, Berlin

Ein weiteres prominentes AfD-Mitglied hat die Partei im Streit verlassen. Die hessische Bundestagsabgeordnete und frühere Bewerberin für die Spitzenkandidatur, Joana Cotar, erklärte am Montag ihren Austritt aus Partei und Fraktion. Damit verlässt eine weitere Führungsfigur die Partei, die zum moderaten Flügel der AfD zählte. Ihren Austritt begründete Cotar in einer Erklärung auf ihrer Internetseite mit einem brutalen innerparteilichen Umgang mit Konkurrenten, aber auch mit der inhaltlichen Entwicklung der Partei.

Die AfD habe im Umgang miteinander "rote Linien" mehrfach überschritten. "Im Kampf gegen innerparteiliche Gegner ist Dauermobbing an der Tagesordnung - angefeuert von der Spitze der Partei und ihrer Netzwerke", schrieb Cotar mit Blick auf die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Der Kampf um ein besseres Deutschland sei in den Hintergrund gerückt, Anstand spiele "in den korrupten Netzwerken innerhalb der Partei keine Rolle mehr".

Vor der Bundestagswahl 2021 wollte Cotar Spitzenkandidatin der AfD werden, scheiterte aber in einer Mitgliederabstimmung. Zusammen mit Joachim Wundrak unterlag sie dem Duo aus Weidel und Chrupalla. In der Bundestagsfraktion war sie bisher digitalpolitische Sprecherin. Bis Juni gehörte sie dem Bundesvorstand der Partei an.

Cotar kritisierte zudem "die große Nähe führender AfD-Funktionäre zum Präsidenten der Russischen Föderation", Wladimir Putin. Dies wolle und werde sie nicht mehr mittragen. Cotar schrieb von einer "Anbiederung der AfD an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran", dies sei einer aufrechten demokratischen und patriotischen Partei "unwürdig". Die Aufrüstung der Bundeswehr halte der Parteichef für "irre", sie dagegen für "dringend geboten".

Die AfD-Spitze zuckt mit den Schultern. Probleme gebe es doch in allen Fraktionen

Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden, Tino Chrupalla und Alice Weidel, erklärten zu dem Schritt, Cotar habe sich schon längere Zeit inhaltlich und persönlich von der Partei und ihrer Arbeit in der Fraktion entfernt. "Das bedauern wir und erachten den Schritt des Partei- und Fraktionsaustritts für konsequent. Ihr Mandat sollte sie zurückgeben. Das gehört zur Ehrlichkeit, die sie selbst immer eingefordert hat." Cotar kündigte dagegen an, Bundestagsabgeordnete bleiben zu wollen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, stellte den Austritt Cotars dar als Folge dessen, dass sie sich nicht habe durchsetzen können, in der AfD gebe es eben unterschiedliche Meinungen. Man habe zudem immer wieder Austritte, menschliche Probleme gebe es "in allen Fraktionen". Den Vorwurf der Korruption wies er zurück.

Die AfD hatte bei der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres 83 Sitze geholt. Nachdem Matthias Helferich wegen früherer Äußerungen mit Bezug zum Nationalsozialismus nicht in die Fraktion aufgenommen wurde, begann die AfD mit 82 Abgeordneten. Cotar ist bereits die vierte Abgeordnete, die seit der Bundestagswahl aus der AfD-Fraktion ausgetreten ist.

Die AfD hat seit ihrer Gründung vor fast zehn Jahren zahlreiche prominente Mitglieder verloren. Einer von ihnen ist der Europaparlamentarier Jörg Meuthen. Der langjährige Parteivorsitzende, mit dem Cotar im Parteivorstand eine Zeit lang gemeinsame Ziele verfolgte, hat die AfD ebenfalls im Streit im Januar verlassen. Er ist inzwischen Mitglied der Deutschen Zentrumspartei.

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