Alternative für Deutschland:AfD - nicht nur rechts, sondern voller Rechthaber

Auf ihrem Parteitag votierte die AfD für lauter Vorhaben, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind. Jetzt ist noch klarer, womit man es bei der Partei zu tun hat.

Kommentar von Nico Fried

Ausdauer hat die AfD. Mit ungeheurer Hartnäckigkeit hat sie auf dem Parteitag in Stuttgart stundenlange Debatten geführt. Ein Großteil der Beiträge ging immer wieder zur Geschäftsordnung, was aber häufig durchaus inhaltlich motiviert war: Denn mit dem Antrag auf Nichtbefassung eines anderen Antrags manifestiert man natürlich besonders klar die Ablehnung konkurrierender Ideen.

Man konnte an diesem zähen Ringen und den vielen Wortmeldungen sehen, wie ernst es jedem einzelnen AfD-Mitglied damit ist, seinen ganz persönlichen Frust über die Zustände in Deutschland loszuwerden. Die AfD ist nicht nur rechts, sondern auch eine Partei der Rechthaber.

Der Frust erscheint im Übrigen oft noch größer, als es die bisherigen Ergebnisse der Programmdiskussion ohnehin vermuten lassen. Unterm Strich sind diese Ergebnisse einerseits weniger radikal, als es vor dem Parteitag zu erwarten war. So fand die Behauptung, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, nicht den Weg ins Programm. Und der Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, meint angeblich nur den politischen Islam, nicht aber den einzelnen Muslim.

Die Vehemenz, mit der andererseits zum Beispiel die Forderung zum Dialog mit dem Islam in den Gemeinden niedergebuht und verlacht wurde, zeigt auch, wie tief das Ressentiment bei Teilen der Mitglieder sitzt - und wie groß die Differenz zwischen Geist des Einzelnen und Buchstabe des Programmes ist.

Die politische Realitätsferne der AfD offenbarte sich in Stuttgart unter anderem bei der - wenn auch konditionierten - Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der EU. Doch wurde nicht allein die Politik, sondern oftmals auch ihre rechtliche Grundlage auf diesem Parteitag in Frage gestellt, als handele es sich beim Grundgesetz nur um einen Fetzen Papier. Von der Volksabstimmung über den Verbleib im Euro bis zur Direktwahl des Bundespräsidenten votierte die AfD mirnichts, dirnichts für lauter Vorhaben, die mit der Verfassung nicht vereinbar sind.

Angesagte Truppe

So ist nach Stuttgart noch klarer, womit man es bei der AfD zu tun hat. Für die etablierten Parteien erwachsen daraus dennoch ganz unterschiedliche Herausforderungen. Die stramm konservative, ja rückwärts gewandte Programmatik ist in erster Linie ein Problem für die Union, weil die AfD Positionen in der Familien- oder Gesellschaftspolitik besetzt, die von CDU und CSU bewusst, wenn auch oft murrend geräumt wurden. Ein Entgegenkommen ist hier kaum möglich, die Union wird nicht umhin können, ihre Modernisierung mit mehr Selbstbewusstsein zu vertreten.

Für die SPD, aber auch für Grüne und die Linke ist nicht die Partei das eigentliche Problem, sondern jene Stimmung, für die Programme überhaupt keine Rolle spielen, sondern vor allem die Wahrnehmung als Protestpartei. Hier ist die AfD einfach die derzeit angesagte Truppe, die es denen da oben mal so richtig gibt. Solche Leute nur in die braune Ecke zu stellen, wird sie nicht bekämpfen, sondern eher noch bestärken.

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