Ostdeutschland:Die AfD sucht Kommunalpolitiker

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Ein Wahlplakat der AfD in einer Wiese bei Bitterfeld. Viele Menschen in Sachsen-Anhalt haben die AfD gewählt, aber die hat ein Personalproblem. (Foto: Hendrik Schmidt/DPA)

Erst die Wahlerfolge in Ostdeutschland, dann das: Die Partei kann mindestens 250 gewonnene Sitze in Stadt- und Gemeinderäten nicht besetzen. Was bedeutet das für die lokale Demokratie?

Von Jan Heidtmann, Berlin

Nach den Kommunalwahlen kann die AfD viele Mandate nicht besetzen. Das Personalproblem der Partei betrifft vorrangig Ostdeutschlandland. Die Landeswahlleitung Sachsen-Anhalt hat jetzt berechnet, dass der AfD 120 Amtsträger für Sitze in kommunalen Parlamenten fehlen. In Sachsen betrifft das mindestens 113 Sitze, in Brandenburg 41; auch in Mecklenburg-Vorpommern fehlen der Partei in mehreren Städten Mandatsträger. Für Thüringen liegen noch keine Zahlen vor.

Grund dafür sind die Erfolge der extremen Rechten, als sie vor wenigen Wochen in allen ostdeutschen Bundesländern zulegen konnte und teils als stärkste Partei aus den Kommunalwahlen hervorging. Der Mangel an Personal betrifft auch andere Parteien, so konnte das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) etwa ein Mandat in Chemnitz nicht besetzen. Doch weder BSW noch CDU, SPD oder Grüne sind davon annähernd so betroffen wie die AfD. „Das kann schon stutzig machen“, sagt Erik Vollmann, Politologe an der Technischen Universität Dresden.

In Sachsen traten 3000 Menschen für die AfD an

Zu erklären sei das unter anderem mit der Tendenz, dass bei den Wahlen in Ostdeutschland zunehmend Parteilose für lokale Bündnisse angetreten sind. Deshalb hätten alle Parteien Schwierigkeiten, Kandidaten zu finden. „Es herrscht insgesamt eine gewisse Parteienmüdigkeit“, sagt Vollmann. Auf lokaler Ebene betreffe dies nun auch die AfD, selbst wenn sie gerade gegen die von ihr oft so titulierten Altparteien antritt. AfD-Funktionäre führen ihren Mangel an Kandidaten auf „Diffamierungskampagnen der Altparteien und eines Großteils der Mainstream-Medien“ zurück, wie der AfD-Landesvorsitzende in Brandenburg René Springer sagte. Potenzielle Interessenten würden aus Angst vor Repressionen nicht antreten.

Erik Vollmann hält diese Erklärung für wenig glaubwürdig. „Das ist im Einzelfall nicht auszuschließen“, sagt der Politologe. „Aber teils 30 Prozent Zustimmung für die AfD zeigen, dass man schon offen zu der Partei stehen kann.“ Abgesehen davon sei es der AfD bei diesen Wahlen gelungen, weit mehr Kandidaten zu finden als noch bei den Kommunalwahlen zuvor. „Und das, obwohl sie inzwischen in mehreren Landesverbänden als gesichert rechtsextremistisch gilt.“ So traten in Sachsen in diesem Jahr 3000 Menschen für die AfD an, 2019 waren es noch 1000.

In Bautzen gewann die AfD 52 Mandate, hat aber nur Personal für 20

Der Mangel an Mandatsträgern hat in manchen Kommunalvertretungen teils drastische Folgen. Im brandenburgischen Wittenberge schrumpft die Stadtverordnetenversammlung von 28 auf 23 Mitglieder, da die AfD nur zwei von sieben erlangten Sitzen besetzen kann. Im Landkreis Bautzen, Sachsen, gewann die Partei 52 Mandate in Städte- und Gemeinderäten, hat aber nur Personal für 20 Sitze. Auch dort werden die Parlamente dann entsprechend schrumpfen, da freie Mandate nicht von den Parteien nachbesetzt werden können. Dafür zielen Kommunalwahlen zu sehr auf einzelne Personen ab.

So könne der Kandidatenmangel nun in manchen Lokalparlamenten dazu führen, „dass die AfD an Einfluss verliert“, sagt Vollmann. Der Politologe sieht darin aber kein generelles Problem. „Die lokale Demokratie leidet nicht darunter“, sagt er. „Wenn sie es ins Verhältnis setzen, betrifft es nur einen kleinen Anteil.“ So waren bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt 4400 Mandate neu zu verteilen, von denen insgesamt 162 (davon AfD: 120) nicht besetzt werden konnten. Das macht ungefähr 3,7 Prozent.

Sorgen bereitet Vollmann da eher eine strukturelle Entwicklung: „Problematisch ist aber der Trend eines geringeren Engagements für Kommunalparlamente insgesamt“, sagt er. „Wenn es nicht gelingt, hier genügend Nachwuchs zu finden, schwächt das die lokale Politik.“

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