Schwaches NRW-Ergebnis:Parteifreunde fordern Abgang des AfD-Chefs

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"Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD": Der Parteichef, hier am Montag nach der NRW-Wahl. (Foto: Chris Emil Janssen/Imago)

Nach neun Wahlen in Folge mit deutlichen Verlusten sprechen sich führende AfD-Politiker für einen personellen Neuanfang aus: Man brauche jetzt kompetente Leute an der Spitze. Auch Parteichef Tino Chrupalla solle gehen.

Von Markus Balser, Berlin

Parteichef Tino Chrupalla ahnte am Montagvormittag wenig von dem, was sich da gerade hinter den Kulissen zusammenbraute. Als der AfD-Chef in der Bundespressekonferenz ankam, um das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen zu erklären, war er noch gut gelaunt. Seine Partei hatte bei der Landtagswahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen zwar Stimmen verloren. Doch der ganz schlimme Absturz blieb aus. Im bevölkerungsreichsten Bundesland bleibt die AfD mit 5,4 Prozent gerade so im Parlament. "Die Geschlossenheit hat sich ausgezahlt", sagte Chrupalla.

Dass es mit der Partei in Wirklichkeit nicht gerade zum Besten bestellt ist, machten derweil fast zeitgleich mehrere führende Vertreter des für AfD-Verhältnisse gemäßigten Lagers deutlich. Chrupalla, der dem rechteren Lager zugerechnet wird, hatte gerade auf dem Podium Platz genommen und mit seinem Statement begonnen, als die "Parteifreunde" per E-Mail unmissverständlich seinen raschen Abgang forderten.

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"Wir brauchen unverbrauchte Köpfe an der Spitze der Partei. Kompetent und ohne Mehrfachbelastung durch zu viele Ämter", schrieb darin etwa Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar aus Hessen und spielte auf Chrupallas zweite Funktion als Fraktionschef an. "Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD", kritisierte sie weiter. Er bilde weder die gesamte Partei ab, "noch überzeugt er bei den Wählern. Darum darf er als Bundessprecher nicht noch einmal antreten."

Genau das allerdings hat Chrupalla vor und will sich auch von dem internen Streit nicht davon abbringen lassen. "Ich stelle mich der Kritik", entgegnete der vom Vorstoß seiner Gegner überraschte Parteichef und ging zum Gegenangriff über: "Es braucht eine Disziplinierung", forderte der 47-jährige Sachse. "Das wird die Hauptaufgabe des neuen Bundesvorstands." Deshalb werde er erneut kandidieren und dafür in Kürze ein Team vorstellen. Der Parteitag müsse dann entscheiden, ob man ihn als Chef wolle oder nicht.

Der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat Markus Wagner versuchte noch, Chrupalla aus der Schusslinie zu nehmen. Man habe sich "natürlich mehr erhofft", sagte er. Aber kleinere Parteien hätten es nun mal schwer gehabt, weil es im Wahlkampf vor allem um den Zweikampf und die Ministerpräsidentenfrage zwischen Union und SPD gegangen sei. Bei der Wahl hatte die AfD zwei Prozentpunkte weniger erreicht als noch 2017.

Doch der Druck wächst von mehreren Seiten. Auch Jürgen Braun, ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, rechnete am Montag mit Chrupalla ab. "Seit 2020 hat die AfD bei neun Landtagswahlen in Folge nur noch verloren. Im Osten wie im Westen. Auch bei der Bundestagswahl haben sich scharenweise Wähler abgewandt", ließ Braun wissen. "Alle diese Wahlen fielen exakt in die Amtszeit von Parteichef Tino Chrupalla, die im November 2019 begann. Das dürfen wir nicht länger ausblenden."

Chrupalla steht für seine Haltung im Ukrainekrieg in der Kritik

In die Kritik gerät bei den Absendern vor allem der Russland-Kurs des nach dem Abgang von Jörg Meuthen verbliebenen Parteichefs. Chrupalla hatte sich gegen die Lieferung schwerer Waffen und für die Aufhebungen von Sanktionen gegen Russland starkgemacht. "Ein allzu großes Verständnis für die russische Position im Ukraine-Krieg wird nirgendwo mehrheitlich akzeptiert", kritisierte der Bundesvorstand Alexander Wolf. Die AfD werde "zunehmend als Außenseiter" wahrgenommen. "Frieden schaffen ohne Waffen" sei eine "Kirchentagsparole, nicht die Position der AfD".

Chrupallas Kurs in der Ukraine-Krise bezeichnete Wolf als "Irrweg, der die AfD fast eine weitere Landtagsfraktion gekostet hätte". Viele Wähler im Westen nähmen die AfD nur noch als Ostpartei wahr, warnte der Berliner Landesvorstand Frank-Christian Hansel. Die Kritik löste noch am Montag hektische Aktivitäten aus. In der Bundestagsfraktion war von Krisengesprächen die Rede und von langen Treffen führender Köpfe hinter verschlossenen Türen.

Denn die Lager der Partei stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Nicht nur unter den für AfD-Verhältnisse Gemäßigten, sondern auch unter den äußerst Rechten rumort es. Auch sie fordern einen Strategiewechsel und plädieren dabei für einen radikaleren Kurs. Um den durchzusetzen, liebäugelt Rechtsaußen Björn Höcke mit einer Kandidatur für einen Bundesposten. Insidern zufolge gar mit dem des Parteichefs. Für diesen Fall hatten mehrere Vertreter des gemäßigten Lagers einen Bruch mit der Partei angekündigt.

Wie schmutzig es in den nächsten Wochen zugehen kann? Chrupallas Replik auf die Angriffe ließ wenig Gutes erwarten. Die Kritik komme immer von denselben, wetterte der. "Wie früher beim Camping: Da haben sich immer diejenigen beschwert, dass es nass im Zelt ist, die auch ins Zelt hinein gepinkelt haben."

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