Süddeutsche Zeitung

AfD-Besuch in Moskau:Auf der Spur von Sputnik V

Trotz massiver außenpolitischer Spannungen reist erneut eine AfD-Delegation nach Moskau. Co-Fraktionschefin Weidel will sich über Russlands Impfstoff informieren. Der Kreml freut sich, im Bundestag herrscht über die Liaison Entsetzen.

Von Markus Balser und Daniel Brössler, Berlin

Für Besuch aus dem Westen kann es ungemütlich werden dieser Tage in Moskau. Der finnische Außenminister Pekka Haavisto musste sich gerade von seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow anhören, die Europäische Union zerstöre "kontinuierlich die Beziehungen". Den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell hatte Lawrow zuvor regelrecht vorgeführt. Noch während dessen Besuch in Moskau waren mehrere europäische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt worden, weil sie angeblich an Demonstrationen der Opposition teilgenommen hatten.

Die neueste Abordnung aus dem Westen muss derlei Unfreundlichkeiten nicht befürchten. Eingetroffen in Moskau ist eine kleine Delegation der AfD im Bundestag mit Co-Fraktionschefin Alice Weidel an der Spitze. Erst vor drei Monaten war Parteichef Tino Chrupalla zu Besuch. Nun will die AfD ihren Ruf als Partei mit besten Drähten nach Moskau noch einmal festigen.

Dem dient auch ein besonderer Höhepunkt der Reise, deren offizielles Programm von diesem Dienstag bis Donnerstag dauern soll. Die dreiköpfige Delegation wird nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Gamaleja-Institut erwartet, das den Covid-19-Impfstoff Sputnik V entwickelt hat. Die frühe Registrierung des Impfstoffs noch vor Abschluss der Studien im August war im Westen auf Kritik gestoßen. Mittlerweile gilt seine hohe Wirksamkeit aber als gesichert, ein Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA läuft. Als Motto der Reise hat man sich in der AfD "Modernes Russland" überlegt - wozu auch gehören dürfte, Russland im Kampf gegen die Corona-Pandemie als Vorbild zu preisen.

Lob von Lawrow

Außenpolitisch gehört die Sympathie für das offizielle Russland längst zum Markenkern der AfD, wofür auch die beiden anderen Teilnehmer der Delegation stehen: Petr Bystron, Obmann der AfD im Auswärtigen Ausschuss, und Robby Schlund, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Mit Zweifeln an der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und Extratouren nach Moskau hat Schlund den Rest der Parlamentariergruppe gegen sich aufgebracht. Auch Bystron pflegt intensive Kontakte nach Moskau.

Im Fall des aus Russland ausgewiesenen deutschen Diplomaten machte er sich den russischen Vorwurf zu eigen, dass dieser an nicht genehmigten Kundgebungen teilgenommen habe. Diese Rechtsverletzungen seien eines "Diplomaten unwürdig und rechtfertigen das russische Vorgehen in vollem Umfang", hatte er erklärt. Die AfD lehnt Sanktionen gegen Russland, sei es wegen des Vorgehens im Osten der Ukraine oder im Fall Nawalny, strikt ab.

In der russischen Führung hört man derlei gern. "Wir schätzen Ihren Beitrag sehr für die Unterstützung unserer Beziehungen, die ein Überdenken und vielleicht, wie es heute heißt, einen Neustart brauchen", hatte Lawrow Chrupalla bei dessen Besuch im Dezember geschmeichelt. Als fester Programmpunkt der Reise Weidels ist nun vorerst eine Begegnung mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Duma-Ausschusses, Leonid Sluzkij von der nationalistischen Liberal-Demokratischen Partei (LDPR), geplant.

Ganz unumstritten ist die Nähe zur AfD allerdings auch in Russland nicht. Die Entscheidung, mit dieser Partei zusammenzuarbeiten, sei dort von einflussreichen Experten kritisiert worden, schrieb kürzlich die in Moskau erscheinende Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta.

Schon die erste Reise der AfD-Fraktion im Dezember hatte in Berlin heftige Reaktionen ausgelöst. Es herrschte Unverständnis über die unverblümte Annäherung an die russische Staatsmacht, darüber, dass sich die AfD in wichtigen Streitfragen auf die Seite Moskaus stellte. So nannte etwa der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Armin-Paul Hampel, die Annahme der Bundesregierung, der Kreml habe den Anschlag gegen Nawalny zu verantworten, "absurd" und eine "Revolvergeschichte". Er wiederholte die russische Forderung, Berlin solle alle Beweise mit Moskau teilen. Tatsächlich wurden in Deutschland mehrere russische Rechtshilfegesuche geprüft, wobei auch Nawalnys Rechte berücksichtigt werden müssen. Der Oppositionspolitiker wurde mit einem Nervenkampfstoff vergiftet, der nur staatlichen Stellen zugänglich ist

Trittin: Reisen nach Russland zum kritischen Dialog nutzen

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sprach damals aus, was viele dachten: "Besuche von Abgeordneten in Moskau sind grundsätzlich zu begrüßen", sagte Trittin. Er selber sei mindestens einmal im Jahr zu Besuch in Russland. Die Reisen müssten aber zum kritischen Dialog, nicht zur Selbstinszenierung oder zur Propaganda genutzt werden. Er habe jedoch große Zweifel daran, dass die AfD-Delegation etwa die völkerrechtswidrige Besetzung der Krim oder die Behinderung freier und fairer Wahlen mit der gebotenen Deutlichkeit anspreche.

Aus der FDP kam der Vorwurf, die AfD falle der deutschen Außenpolitik in den Rücken. Sie mache sich mit einer Außenpolitik Russlands gemein, "die für Menschenrechtsverletzungen steht und Deutschland attackiert", warnte der Außenpolitiker Michael Link. Die Spannungen zwischen beiden Ländern könnten kaum größer sein. Der Hackerangriff auf den Bundestag 2015, der Auftragsmord an einem Georgier im Berliner Kleinen Tiergarten 2018, der Giftmordanschlag auf Nawalny - für die Bundesregierung waren das weitere Beweise für die Skrupellosigkeit des Kreml. AfD-Co-Chef Tino Chrupalla hatte dennoch weitere Reisen nach Moskau angekündigt: "Es wird weitere Gespräche geben. Darauf freuen wir uns auch."

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