Süddeutsche Zeitung

AfD-Parteitag in Berlin:Meuthen sucht die Entscheidung im Machtkampf

Die Wutrede des AfD-Chefs zielte nicht nur auf Rechtsausleger, sondern ins Zentrum der Parteispitze. Den Versuch bürgerliche und extreme Lager gleichermaßen anzusprechen, hält er ein Jahr vor der Wahl für gescheitert.

Kommentar von Markus Balser, Berlin

Was sich am Samstag in der größten Oppositionspartei des Bundestags abspielte, sucht in der deutschen Parteiengeschichte seinesgleichen. Beim Parteitag der AfD im Freizeitpark Wunderland bei Kalkar ging Bundessprecher Jörg Meuthen in einer regelrechten Wutrede scharf mit der eigenen Partei ins Gericht. Er rechnete mit Tabubrüchen, Provokateuren und Pöblern ab.

Ziel seines Zorns waren aber nicht nur die Rechtsausleger am Rand der Partei. Meuthens Wut traf auch die Parteiführung in deren Zentrum, etwa Fraktionschef Alexander Gauland. Denn der hatte mit harten verbalen Attacken immer wieder die Nähe zu den umstrittenen Corona-Protesten gesucht.

Hinter Meuthens emotionalem Auftritt steckt Kalkül. Der Parteichef sucht die Entscheidung im Machtkampf um die künftige Richtung der AfD. Seine Botschaft: Die Partei solle sich ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl endlich entscheiden, was sie will, um in Umfragen nicht noch weiter abzurutschen. Den Versuch der AfD, bürgerliche und extreme Lager gleichermaßen anzusprechen, hält Meuthen für endgültig gescheitert. Er wird immer mehr zum ernsten Problem seit der Verfassungsschutz die äußerste Rechte der AfD unter Beobachtung gestellt hat. Beamte wenden sich ab. Dem bisherigen Geschäftsmodell droht das Aus.

Wichtige Führungskräfte wollen sich nicht von Radikalen trennen

Der Parteitag aber machte auch klar: Dass sich Meuthen mit seinem Wunsch durchsetzt, die äußerste Rechte aus der AfD auszugrenzen, ist keinesfalls ausgemacht. Nach Meuthens Rede gab es von der Basis wenig Applaus und einigen Protest. Die Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland distanzierten sich öffentlich von Meuthens Vorstoß.

Klar ist: wichtige Führungskräfte der AfD wollen sich noch immer nicht von den Radikalen in der Partei trennen. Noch immer sind Vordenker des aufgelösten "Flügels" an führender Stelle in der Partei aktiv. Etwa Björn Höcke, der Thüringer AfD-Chef.

Auch für Meuthen selbst naht damit das Endspiel um seine Zukunft an der AfD-Spitze. Die Partei ist tiefer gespalten denn je. Die Spaltung zieht sich durch alle Hierarchiestufen von der Basis bis zur Spitze. Auf ihrem letzten Parteitag vor fast genau einem Jahr formulierte die größte Oppositionspartei im Bundestag noch ein selbstbewusstes Ziel. Ende 2019 erklärte sich die AfD, beseelt von hohen Umfragewerten, kurzerhand für regierungsfähig. Meuthen stufte sie als unverzichtbar ein: "Es läuft alles auf uns zu", orakelte der Parteichef. Zehn Monate später räumt er selbst mit seiner Rede ein, dass von seiner Hoffnung auf große Wahlerfolge nichts geblieben ist. Die AfD ist kaum mehr als ein Scherbenhaufen.

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