AfD:Kampf um Meuthen-Nachfolge ist im Gange

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Dem AfD-Chef Jörg Meuthen drohen strafrechtliche Ermittlungen. Er geht allerdings davon aus, dass die ihn entlasten. (Foto: Filip Singer/Getty)

Mehr oder weniger offen stecken die Lager in der AfD ihre Claims ab, loten Bewerber für das Amt des scheidenden Parteichefs ihren Rückhalt aus. Drei Namen werden aktuell genannt.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Einen Wunsch hatte Jörg Meuthen noch, als er den Mitgliedern seiner Partei seinen Abschied von der Spitze verkündete: Eine "glückliche Hand bei der Wahl der neuen Mitglieder des Bundesvorstandes", schrieb Meuthen den eigenen Leuten am Ende seiner Mail vom Montag. Und: "Mögen sie eine besonnene Wahl treffen."

Besonnenheit, Ruhe, ein Abwägen der Möglichkeiten - diese Haltung wird aktuell gern gezeigt in Berlin, von anderen Parteien, etwa wenn es um die Sondierungen für die nächste Regierung geht. Niemand will vorpreschen, auch die CDU bemüht sich um Disziplin bei der Neuaufstellung. Die AfD will oder kann das nicht, es sieht nicht nach einem besonnenen Führungswechsel aus. Im Gegenteil. Direkt nach der überraschenden Rückzugsankündigung Meuthens begannen die einflussreichen Lager in der Partei am Montag, ihre Claims abzustecken und ihren Machtkampf zwischen dem ganz rechten und dem im Ton etwas weniger extremen Lager fortzusetzen.

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Beste Karten für eine Wiederwahl in eine Doppelspitze hat Meuthens bisheriger Co-Chef Tino Chrupalla aus Sachsen, der bereits gemeinsam mit Alice Weidel Fraktionsvorsitzender im Bundestag ist. Der Handwerksmeister aus dem Landkreis Görlitz will wieder antreten, entschieden wird auf dem Parteitag im Dezember in Wiesbaden. Chrupallas Kandidatur werde auch von den einflussreichen, oft besonders weit rechts stehenden Landesverbänden in Ostdeutschland befürwortet, heißt es.

Dennoch ist Chrupalla in der AfD nicht unumstritten. Seine Wahlerfolge in Sachsen finden zwar Anerkennung, selbst Vertraute vermissen aber bei ihm strategisches Geschick und merken an, die Kunst der Rede sei ihm eher fremd. Bisher funktionierte Chrupalla im Parteivorstand als Gegengewicht zu Meuthen, die beiden hatten sich nach Chrupallas Wahl an die Spitze schnell entzweit und seither wenig zu sagen. Chrupalla kam in der Parteiführung die Rolle zu, Meuthen auszubremsen, wenn dieser scharf gegen extreme Kräfte vorgehen wollte.

Neben Tino Chrupalla ist von Peter Boehringer die Rede

Als zweiter Kandidat wurde am Montagabend ein Bundestagsabgeordneter aus München genannt, wie es heißt, auf sein eigenes Betreiben hin. Der Haushaltspolitiker Peter Boehringer rechnet sich demzufolge gute Chancen aus. Maßgebliche Kräfte in der AfD unterstützen seine Kandidatur, als Mann aus dem Westen könnte Boehringer mit dem Ostdeutschen Chrupalla ein Führungstandem bilden. Als moderat gelten beide nicht. Boehringer traue sich den Posten unbedingt zu, heißt es aus der Partei, in der Fraktion wird er als "fleißiger Arbeiter" zu finanzpolitischen Sachthemen beschrieben - aber auch als ein wenig vernetzter Einzelgänger, der noch nicht durch Führungsaufgaben auffiel.

Inhaltlich hat Boehringer, der dem Haushaltsausschuss im Bundestag vorsitzt, regelmäßig radikale Positionen vertreten. Etwa als Verfechter eines "Dexits", also dem Wunsch der AfD, dass Deutschland aus der Europäischen Union austritt. Auch auf seine Initiative hin hat die AfD diese Forderung im Frühjahr in ihr Wahlprogramm aufgenommen - gegen den Willen von Parteichef Meuthen. Boehringer könne wohl sogar mit der Unterstützung der äußerst rechten, offiziell aufgelösten Parteiströmung "Flügel" rechnen, wie aus der Partei zu hören ist.

Das für AfD-Verhältnisse gemäßigte Lager, das bislang auf Meuthen setzte, hofft darauf, noch einen eigenen Kandidaten ins Rennen führen zu können. Diese Hoffnung ruht auf Rüdiger Lucassen, dem Chef des nordrhein-westfälischen Landesverbandes. Der 70-jährige Verteidigungspolitiker hat sich am Montag eine Kandidatur noch offengelassen. In der Bundestagsfraktion ist er bekannt als Kritiker der frisch gewählten Fraktionschefs Chrupalla und Alice Weidel, auf deren Positionen ihm Ambitionen nachgesagt wurden. Er bewarb sich dann aber nicht, hatte wenig Aussicht auf eine Mehrheit.

Rüdiger Lucassen kritisiert Parteifreunde auch öffentlich

Lucassen zählt zu den wenigen in der AfD, die öffentlich Stellung beziehen, wenn sie Provokationen von Parteifreunden für falsch und schädlich halten. In der Partei gilt es als möglich, dass Lucassen gegen Boehringer antritt. Für die möglichen Kandidaten zählten die nächsten zwei bis drei Wochen, in denen sie ihre Chancen ausloten, auch in den Landesverbänden, hieß es am Dienstag.

Fraktionschefin Weidel hält sich wie so oft zunächst zurück, eine Kandidatur sei aber möglich. Allerdings befänden sich Partei und Bundestagsfraktion dann in denselben Händen, ein Hindernis, denn Weidel und Chrupalla sind schon in der Fraktion umstritten. Die Berlinerin Beatrix von Storch, Mitglied im Bundesvorstand, will nach Angaben aus Parteikreisen nicht in das Rennen um die Parteispitze eingreifen. Als möglicher Kandidat galt noch Roland Hartwig, der lange die Arbeitsgruppe Verfassungsschutz in der AfD leitete, aber Hartwig winkt ab. Lucassen überlegt wohl noch, auch mit Blick auf seinen großen, unruhigen Landesverband. Boehringer ist dem Vernehmen nach fest entschlossen seine Kandidatur zu verkünden. Nur wann, dazu will er sich noch nicht äußern.

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