Süddeutsche Zeitung

Konferenz in Kalkar:AfD im Wunderland

600 Delegierte sollen beim Bundesparteitag der AfD trotz Corona-Pandemie zusammenkommen. Die Parteispitze weiß, dass es einige entschlossene Maskenverweigerer in den eigenen Reihen gibt - und will gegen Verstöße vorgehen.

Von Jens Schneider, Berlin

Auf so eine Versuchsanordnung kann in diesen Tagen nur die AfD kommen. 600 Delegierte reisen zum Wochenende aus ganz Deutschland nach Kalkar an den Niederrhein zu ihrem Parteitag. Zusätzlich werden noch etwa hundert Beobachter erwartet. Während andere ihren Parteitag absagten, wie die CDU, oder digital diskutierten, wie die Grünen, setzt die AfD auf eine Präsenzveranstaltung im "Wunderland", einem Freizeitpark samt Unterkünften.

Trotz des bundesweiten Teil-Lockdowns darf die Zusammenkunft stattfinden. Die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen lässt dies zu, auch das Gesundheitsministerium des Landes hat keine Einwände.

Die AfD stört sich allerdings an den Auflagen, die der Partei und ihren Delegierten gemacht werden. Diese sollen in der Halle stets eine Maske tragen. Die Partei hat beim Oberverwaltungsgericht in Münster gegen diese generelle Maskenpflicht geklagt. Die Auflagen seien "zu weitreichende und damit unverhältnismäßige Eingriffe", so begründet es das Bundesvorstandsmitglied Alexander Wolf. Hier werde "die Betätigungsfreiheit von politischen Parteien unangemessen beschränkt".

Die Richter in Münster wiesen die Klage jedoch ab und begründeten ihren Eilbeschluss mit dem legitimen Zweck, "die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen". Die Partei steht damit vor einer für sie heiklen Aufgabe. Sie muss die Einhaltung der Maskenpflicht sicherstellen und bei Verstößen die Teilnehmer von der Veranstaltung ausschließen.

Die AfD-Spitze weiß, dass es einige entschlossene Maskenverweigerer in den eigenen Reihen gibt. Sie appelliert an die Delegierten, sich auf jeden Fall an die Vorgaben zu halten. "Verstöße gegen diese Regeln werden wir ahnden - und zwar ohne Ansehen der Person", kündigte der Vorsitzende Jörg Meuthen an.

Einzelne dürften wohl mit Unbehagen anreisen

Jenseits des Richtungsstreits könnte der Umgang mit den Corona-Auflagen zu einem Kernthema des Parteitags werden, aufmerksam beobachtet vom Ordnungsamt der Stadt Kalkar. In der AfD dürften sich viele in der Rolle der Widerständigen gefallen, stolz darauf, der von ihren besonders vehementen Anhängern abgelehnten Maskenpflicht zu trotzen.

Es gab manche im Umfeld der Parteiführung, die auf eine Absage des Parteitags spekuliert hatten. Zumal sie selbst von dem Vorhaben nicht überzeugt sind und die Veranstaltung einem Teil ihrer Wähler schwer zu vermitteln sein dürfte. Die Parteispitze weiß, dass laut Umfragen auch viele AfD-Anhänger für strikte Corona-Maßnahmen sind.

So hätte eine Absage durch die Behörden manchen wohl gepasst. Sie hätte ihnen die Gelegenheit geboten, sich als Opfer staatlicher Gängelung darzustellen, und zugleich hätten sie die Zusammenkunft vermieden. Einzelne könnten mit Unbehagen an den Niederrhein fahren, heißt es. Es gebe manche, die das Virus sehr ernst nähmen und auf die Einhaltung der Regeln pochten.

Vor dem Parteitag allerdings hat niemand aus der Spitze offen Bedenken geäußert. Absagen von Delegierten seien der Bundesgeschäftsstelle nicht bekannt, sagt ein Sprecher.

Noch in den ersten Wochen der Pandemie hatte die AfD sich für besonders strikte Regeln ausgesprochen, dann aber ihren Kurs geändert. Sie hält den Lockdown für überzogen. Fraktionschefin Alice Weidel sagte in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung der Kanzlerin am Donnerstag, die Bundesregierung habe mit ihren Maßnahmen "jetzt schon einen größeren Schaden angerichtet als das Virus selbst". Die AfD hofft, vom Unmut über die wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen spätestens dann zu profitieren, wenn die Pandemie im Land erst mal unter Kontrolle ist.

Besondere Schwierigkeiten hat sie mit den Masken. Die Bundestagsfraktion hat, vergeblich, gegen die Maskenpflicht im Parlament geklagt. Ihr Justiziar Stephan Brandner, der dem Bundesvorstand angehört, nennt sie "eine Gängelung".

Die Stadtverwaltung Kalkar hat angekündigt, genau hinzuschauen. Bürgermeisterin Britta Schulz findet den Parteitag, den sie nicht verbieten kann, unverantwortlich. Das Ordnungsamt kündigte scharfe Kontrollen an. Bei massiven Verstößen hätte die Behörde das Recht, die Veranstaltung abzubrechen. Parteichef Meuthen aber geht davon aus, dass es die Versammlungsleitung mit einem strikten Beharren auf den Vorschriften nicht so weit kommen lässt.

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