AfD:Der Machtkampf könnte in die nächste Runde gehen

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Zeuge gegen die eigene Partei: Alexander Gauland (re.) wollte im Prozess über den Rauswurf von Andreas Kalbitz (li.) aussagen.

(Foto: Carsten Koall/Getty Images)

In der Partei wächst nach dem Kalbitz-Ausschluss der Druck auf den Ehrenvorsitzenden Gauland. Doch die einstige Integrationsfigur wehrt sich.

Von Markus Balser, Berlin

Die Botschaft von AfD-Chef Jörg Meuthen war deutlich. Schon Minuten nachdem Rechtsaußen Andreas Kalbitz am Freitag vor dem Berliner Landgericht mit dem Wiederaufnahmeantrag in die AfD abblitzte, meldete sich Meuthen mit einem öffentlichen Aufruf zu Wort. Er sei überzeugt, dass mit dem "Schlussstrich" unter diese Auseinandersetzung "nun auch wieder Ruhe einkehrt und wir mit neuer Geschlossenheit in das Wahljahr 2021 gehen werden". Doch auch die rasche Mahnung half nicht. Ein Auftritt von Bundesvorstand Alexander Wolf noch im Flur des Berliner Landgerichts machte klar, dass so schnell wohl keine Ruhe in der AfD einkehren wird. Denn Wolf nahm bereits den Nächsten ins Visier: den Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland - und damit die einstige Integrationsfigur der Partei schlechthin.

Wolf, der auch Chef der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft ist, machte seinem Ärger über Gauland überraschend deutlich Luft. Dieser hatte sich immer wieder kritisch zum Ausschluss von Kalbitz geäußert. Gauland habe "in den letzten Tagen und Wochen mehrmals unglücklich agiert", klagte Wolf. Die offene Kritik an Gauland gilt als Wendepunkt in der Partei. Bislang war öffentlich kaum Kritik an ihm laut geworden.

Der Machtkampf in der Partei könnte damit in eine neue Runde gehen - mit einem neuen Ziel: den Co-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. Zumal sich auch andere führende AfD-Politiker kritisch zu Gauland äußern - bislang allerdings nur hinter vorgehaltener Hand.

Gauland wäre als Zeuge von Kalbitz in einem Verfahren gegen die eigene Partei aufgetreten

Das Fass zum Überlaufen hatte für die Kritiker ein Auftritt Gaulands vor Gericht gebracht. Am Freitagmorgen war er vor Verhandlungsbeginn im Verhandlungsraum erschienen und hatte gegenüber dem Richter seine Bereitschaft erklärt, in dem Verfahren zu Kalbitz' Parteiausschluss als Zeuge auszusagen. Als das Gericht dafür keine Notwendigkeit sah, verließ Gauland noch vor Start der Verhandlung das Gericht wieder. Der Anwalt von Kalbitz habe ihn um eine Aussage gebeten, sagte Gauland der Süddeutschen Zeitung. Kritik an seinem Auftritt wies er zurück und bezeichnete den Vorwurf von Bundesvorstand Wolf als "Unsinn". Seine Bereitschaft sei keine Parteinahme für Kalbitz gewesen, sondern seine Pflicht als Bürger, zur Wahrheitsfindung beizutragen. "Ich war nicht da, um für Kalbitz auszusagen", sagte Gauland.

Immerhin aber wäre der 79-Jährige als Zeuge von Kalbitz in einem Verfahren gegen die eigene Partei aufgetreten. Der Streit um Gauland dürfte weitergehen. Zumal Gauland selbst Kritik am Zustand der Partei äußert. Die Vorwürfe gegen ihn zeigten, "wie weit wir als Partei gekommen sind", sagte Gauland. Die Entscheidung des Gerichts zu Kalbitz befriede den parteiinternen Streit nicht.

Gauland steht im internen Machtkampf an der Seite der Fraktionschefin Alice Weidel und des Co-Parteichefs Tino Chrupalla gegen AfD-Chef Jörg Meuthen, der Kalbitz' Rauswurf aus der Partei forciert und damit eine harte Auseinandersetzung mit der inzwischen aufgelösten und vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Parteiströmung "Flügel" angezettelt hatte.

Gauland hatte in den vergangenen Wochen immer wieder den Rauswurf von Kalbitz aus der AfD kritisiert. Im Mai hatte der Bundesvorstand der Partei mit knapper Mehrheit beschlossen, die AfD-Mitgliedschaft von Kalbitz zu annullieren. Der Grund: Kalbitz soll bei einem Parteieintritt 2013 die vorherige Mitgliedschaften bei den Republikanern und der inzwischen verbotenen rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) verschwiegen haben. Kalbitz war seit Ende 2017 auch Mitglied des AfD-Bundesvorstands. Zusammen mit dem Thüringer Landeschef Björn Höcke zählte er zu den führenden Köpfen der äußerst rechten Parteiströmung "Flügel".

Nach der Affäre um einen Faustschlag im Potsdamer Landtag hatten sich zuletzt selbst treue Unterstützer innerhalb der AfD von Kalbitz abgewandt. Kalbitz soll seinen Stellvertreter Dennis Hohloch an der Spitze der Landtagsfraktion vor gut zehn Tagen mit einem heftigen Schlag ins Krankenhaus befördert haben. Auch Gauland nannte die Vorgänge am Sonntag "unverzeihlich".

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