Rechte und noch Rechtere:Die AfD wird sich selbst zur Last

Gauland, Höcke, AfD

Hilflose Appelle: AfD-Chef Alexander Gauland (links) gelingt es nicht, die Rechtsaußen-Parteimitglieder um den Thüringer Gründer Björn Höcke im Zaum zu halten.

(Foto: AFP)

Die Partei steht vor neuen Triumphen bei den Landtagswahlen im Osten. Doch nach dem Rausch dürften ihre Probleme noch zunehmen.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Die AfD steht vor einem gewaltigen Triumph. Wenige Wochen noch, dann wird die bundesweite Öffentlichkeit mit Entsetzen und Unverständnis auf den nächsten Meilenstein des Aufstiegs der neuen Rechten blicken. Am 1. September wird in Brandenburg und Sachsen gewählt, bald darauf in Thüringen, und alles deutet darauf hin, dass sie massiv hinzugewinnen, vielleicht stärkste Kraft werden. Die AfD wird sich daran berauschen und nur wenige Rechtspopulisten werden ahnen, dass der Erfolg die Probleme noch wachsen lässt.

Und Probleme hat diese Partei so viele, dass das Wort "Probleme" als Euphemismus erscheint. Was der AfD zu schaffen macht, ist weniger ihre Isolation rechts der anderen Parteien, die ihr bisher eher nutzte, weil sie Protestwähler anzog.

Es sind auch nicht ihre Skandale, die womöglich illegalen Parteispenden. Die scheren ihre Wähler so wenig wie die inhaltliche Disparität dieser Partei, die sich nicht auf ein Rentenkonzept einigt, weil die Vorstellungen extrem weit auseinander liegen. Was der AfD zur Last wird, ist sie selbst.

Die Partei ist in die Selbstblockade zurückgefallen, die sie nach dem Abschied der einstigen Chefin Frauke Petry für überwunden hielt. Sechs Jahre nach ihrer Gründung und nach vielen Häutungen rumort es in vielen Landesverbänden. In den größten, Bayern und Nordrhein-Westfalen, herrscht offener Streit, seit Monaten. Es ist, als falle die AfD in den nächsten Zyklus einer für sie typischen Eskalationsschleife: Rechtsaußen bekämpft rechts. Am Ende bleibt rechtsaußen zurück.

Noch ist das nicht entschieden, aber die Rechtsaußen vom "Flügel" um die Symbolfigur Björn Höcke zeigen immer mehr Selbstbewusstsein. Und da sie die AfD im Osten dominieren, dürften sie nach den Wahlen noch weniger kompromissbereit sein. Höcke hat dies bereits angekündigt, mitsamt einer Kampfansage an den Parteivorstand, dem die Kontrolle entgleitet.

Gaulands Mäßigungsappelle wirken hilflos

Das haben die Parteispitzen selbst zu verantworten. Die AfD-Chefs Jörg Meuthen und Alexander Gauland haben Höcke vor dem einst drohenden Ausschluss aus der Partei bewahrt, weil sie ihn für den Erfolg brauchten. Im Gegenzug verzichtete er eine Weile auf besonders extreme Auftritte. Sein "Flügel" wuchs unterdes weiter.

Hilflos wirken nun die Mäßigungsappelle des AfD-Patriarchen Gauland. Naiv glaubte er, ihm könne gelingen, woran die Vorgänger Bernd Lucke und Frauke Petry scheiterten: die Extremisten im Zaum zu halten. So wie sie zuvor spricht er von roten Linien, die nicht überschritten werden dürften. Doch um solche Grenzen zu hüten, fehlen der AfD die Korrektive innen und außen.

Steht der AfD die nächste Abspaltung bevor?

Gauland und Meuthen wissen, dass die AfD moderater werden müsste, wenn sie mehr bürgerliche Wähler erreichen will. Also haben Partei-Juristen Handreichungen für die Basis entwickelt, um - mit Blick auf den Verfassungsschutz - die Mitglieder zu einer weniger radikalen Sprache zu verpflichten. Inhaltlich änderte sich nichts.

Es gibt einzelne Parteiausschlussverfahren, die radikale Kreise aber blockieren. Anschaulich ist die Blamage im Fall Doris von Sayn-Wittgenstein. Während der Vorstand die Frau vom rechten Rand rauswerfen möchte, wählte man sie in Schleswig-Holstein zur Landeschefin.

Der Basis fehlt in weiten Teilen der Wille, die Partei zu normalisieren. Sie sieht keinen Grund dafür: Konnte sich die AfD nicht bisher alles leisten? Interessant wäre, was eine Stagnation oder Verluste bei Wahlen auslösen würden. Bisher fehlt die Bereitschaft, Kritik anzunehmen, erst recht, wenn sie von außen kommt.

Eigene Fehler oder Irrtümer? Gibt es nicht, kann es nicht geben. Die Offenheit dafür lässt ein Weltbild nicht zu, das Kritiker stets als bösartige Gegner oder fehlgeleitete Irre ansieht. Gefangen in der eigenen Blase berauscht man sich lieber am Wachstum der Partei und ihrer Propaganda.

Aber wer stets in jedem Menschen mit einer anderen Meinung einen Feind erkennt, braucht nicht lange, um Feinde auch in den eigenen Reihen zu finden. Das ist die Logik der Eskalation in der AfD.

Die Bundestagsfraktion wirkt als stabiler Machtpol

Steht nun die nächste Abspaltung bevor? Zur Geschichte dieser Partei gehört auch die naive, unpolitisch anmutende Hoffnung ihrer Gegner, sie werde sich bald von allein zerlegen und verblassen. Tatsächlich passierte stets das Gegenteil. Sie stabilisierte sich.

Die Wut der verbliebenen Aktiven auf die Welt an sich und die anderen Parteien hat eine große einigende Kraft. Zudem ist inzwischen eine professionellere Ebene entstanden: Die Bundestagsfraktion wirkt als stabiler Machtpol. Dort spielt der Streit um den rechtslastigen "Flügel" keine Rolle.

Aber auch dort gibt es potenziell den Konflikt zwischen den Rechten und den noch Rechteren. Auch dort werden gemäßigtere Kräfte von den schrillen übertönt, wenn es um das Erscheinungsbild geht. Es gewinnt, wer laut mit Regelverletzungen für Furore sorgt. Das ist die Logik, aus der die Partei bisher keinen Weg findet. Es ist eine Logik, die sie in immer neue Konflikte stürzt und die Extreme stärkt.

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