Süddeutsche Zeitung

AfD:Keine Partei, die man ernst nehmen muss

Wäre die Komödie "Das Leben des Brian" nicht so charmant, sie könnte Vorbild für den beschämenden Zustand der AfD sein.

Kommentar von Nico Fried

Manchmal ist die Wirklichkeit noch absurder als die Persiflage. Die britische Komikertruppe Monty Python hat 1979 mit dem Film "Das Leben des Brian " eine legendäre Satire gedreht, in der es unter anderem darum geht, wie sich zu Lebzeiten Jesu der Widerstand gegen die römischen Besatzer in immer neue Splittergruppen zerlegt. Brian, die Hauptfigur, verwechselt zunächst die Judäische Volksfront mit der Volksfront von Judäa, später gerät er noch in Konkurrenz zur Kampagne für ein freies Galiläa. Kurz gesagt: Es geht im filmischen Widerstand zu wie heute im richtigen Leben bei der AfD.

Die Partei, die das Wort Alternative im Namen trägt, ist dem damit verbundenen Anspruch bislang ebenfalls vor allem dadurch gerecht geworden, dass sie aus sich heraus Alternativen zu sich selbst hervorbringt. Es ist noch gar nicht lange her, da verließ der Gründer, Bernd Lucke, seine Partei und rief zur Alternative für Deutschland eine Alternative ins Leben, die wie ein italienisches Auto heißt, aber politisch nie Fahrt aufgenommen hat. In den nächsten Wochen wird sich nun entscheiden, ob die verbliebene AfD ein weiteres Mal auseinanderfällt, wobei es gut sein kann, dass die Frau, die Lucke einst in die Abspaltung trieb, sich diesmal selbst abspaltet.

Die rechte Frauke Petry muss jetzt schon fast als Linke gelten

Es läge darin eine gewisse Kontinuität der Geschichte, weil Lucke seinerzeit das Opfer seiner eigenen Strategie geworden war und Frauke Petry jetzt dasselbe Schicksal droht. Lucke hatte den rechten Rand der AfD - vornehm der nationalkonservative Flügel genannt - erstarken lassen, auch um bei Landtagswahlen die entsprechenden Stimmen einzuheimsen. Die AfD erzielte so die gewünschten Ergebnisse, doch erstarkte der rechte Rand derart ungebremst, dass er Lucke und andere Wirtschaftsliberale schließlich aus der Partei mobben konnte. Zum Gewinnerflügel gehörte damals auch Petry, die Luckes Erbe als öffentlich am meisten beachtete Führungsfigur antrat. Nun hängt sie in derselben strategischen Grätsche fest wie ihr Vorgänger, wobei die Tatsache, dass eine Rechte wie Petry nun innerhalb der Partei quasi als Linke gilt, schon zeigt, wie weit die AfD inzwischen abgedriftet sein muss.

Diesen Rechtsruck personifiziert Björn Höcke. Der thüringische AfD-Landeschef, der unter anderem mit rassistischen Unterscheidungen von Afrikanern und Europäern durch die Gegend pöbelte, ist ein weiteres Beispiel für die bei der AfD besonders häufig zu beobachtende Regel, dass akademische Bildung nicht davor schützt, dummes Zeug zu reden, und eine konservative Orientierung nicht davor, sich total danebenzubenehmen. Was Petry für Lucke war, ist nun Höcke für Petry. Noch ist er zu schwach, sie an der Spitze infrage zu stellen. Aber längst ist er stark genug, sie als Querulant vor sich herzutreiben.

Keine Partei, die man ernst nehmen muss

Die AfD ist eine Partei wie eine Zentrifuge; ihre Fliehkräfte wirken immer stärker, je schneller sie sich um sich selbst dreht. Der Protest gegen das politische Establishment reicht für Abstaubererfolge bei Landtagswahlen. Aber seine integrative Wirkung ist zu schwach, um Rassisten, Nationalkonservative, Euro-Gegner und Merkel-Hasser auf Dauer zusammenzuhalten. Die AfD ist keine Partei, die man wegen politischer Inhalte ernst nehmen müsste. Sie ist allenfalls einer der Pegel, die das Ausmaß politischer Frustration anzeigen.

Die Umfragewerte der AfD korrespondieren zudem seit Monaten mit der Zahl der Flüchtlinge. Was jetzt für die Partei wie ein Segen erscheint, könnte ihr noch zum Fluch werden, selbst wenn sie im März in weitere Landtage einzieht - oder gerade dann. Zu groß erscheint die Spanne zwischen jenen, die ihre Ressentiments hemmungslos ausleben, und jenen, die noch einen Rest bürgerlichen Anstand bewahrt haben. So stehen die Chancen gut, dass sich auch die AfD in ihre Einzelteile zerlegt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2792193
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.12.2015/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.