AfD:So berauscht sich die AfD an ihrem Erfolg

AfD: Sieht sich auf der "Siegerstraße zum Bundestag 2017": Parteichefin Frauke Petry (Mitte), mit der Vizevorsitzenden Beatrix von Storch.

Sieht sich auf der "Siegerstraße zum Bundestag 2017": Parteichefin Frauke Petry (Mitte), mit der Vizevorsitzenden Beatrix von Storch.

(Foto: John MacDougall/AFP)
  • Der Einzug der AfD in drei Landesparlamente ist ein politischer Erdrutsch.
  • Die Rechtspopulisten sind nun in insgesamt acht Parlamenten vertreten.
  • Der Erfolg ist nur eine Zwischenstation: Längst zielt die AfD auf den Bundestag.

Analyse von Jens Schneider

Vor dem Hotel in Berlin-Hohenschönhausen stehen Polizeigitter. Der Zugang zur Feier der AfD in der Hauptstadt ist abgeriegelt, und wer hineinwill, muss sich ausweisen. Am Morgen haben linke Demonstranten hier gegen die Rechtspopulisten protestiert. In der Nacht haben Unbekannte Scheiben des Hotels eingeschlagen. Drinnen ist es extrem eng. "Jetzt Ruhe", rufen die Anhänger der AfD, als nach den beiden für ihre Partei starken Resultaten im Südwesten Deutschlands Sachsen-Anhalt aufgerufen wird: 24,2 Prozent, daran können sie sich berauschen. Sprechchöre setzen ein: "AfD! AfD!" Und wenig später: "Merkel muss weg"-Rufe im Stakkato.

Nicht nur in Sachsen-Anhalt, auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg kam die AfD laut der Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen vom Abend aus dem Stand auf zweistellige Ergebnisse, ihr Einzug in die drei Landtage im Zuge der Flüchtlingskrise markiert einen politischen Erdrutsch. Erstmals in der Geschichte des Landes ist eine rechtspopulistische Partei nun in der Hälfte der Landtage vertreten.

Die AfD hält sich für etabliert

Die Parteichefin Frauke Petry wertet das als Zeichen, dass die noch vor neun Monaten zerrüttete Partei sich jetzt in Deutschland etabliert habe - auf lange Sicht. Bisher war man nur im Osten und in zwei Stadtstaaten stark, jetzt sieht die AfD sich, nimmt man die Kommunalwahlen in Hessen hinzu, in drei westdeutschen Flächenländern angekommen. "Wir sind die gesamtdeutsche Partei, von der wir immer gesprochen haben", sagt Petry, als sie am Sonntagabend vor ihre Anhänger tritt. Der AfD schreibt sie auch den Anstieg der Wahlbeteiligung zu.

Petry gibt sich inzwischen oft, als wären sie und die Partei unverwundbar. War der AfD denn nicht der Untergang prophezeit worden, als ihr Gründer Bernd Lucke und seine Anhänger die Partei im Juli 2015 verließen? Das sei Wunschdenken gewesen, sagt sie dazu. Und lacht, wenn man sie darauf anspricht, dass es in Teilen der Parteispitze Unmut über ihren Führungsstil gibt und ihre Position infrage gestellt wird - auch das sei: Wunschdenken.

Ihre Aussagen zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge vor einigen Wochen schockierten die Öffentlichkeit, sie verärgerten auch Parteifreunde. Es soll, so hieß es aus der Zentrale, Parteiaustritte gegeben haben. Petry gibt sich unerschüttert. Ihr internes Auftreten wird als sehr misstrauisch beschrieben.

Sie nehme Rat nur noch von ihrem Lebensgefährten, dem Europaabgeordneten und NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell an, heißt es aus Vorstandskreisen. Nach außen tut sie, als würden die Konflikte von Intriganten aufgebauscht. Den Erfolg jetzt wird sie als Beleg dafür nehmen, dass ihr Ansehen bei den AfD-Anhängern nicht gelitten habe.

Dieser Wahlsonntag ist für Petry ohnehin nur eine Zwischenstation, in einer Mail an die Mitglieder sprach sie von einem "Countdown": In einem Jahr will Petry mit der Partei in den Bundestag, längst spricht sie davon, dass die AfD regieren solle - 2021 im Bund. Man müsse sich darauf vorbereiten.

In der Partei ist das umstritten, aber Petry spekuliert darauf, dass es vielleicht früher so kommen könnte, weil die etablierten Parteien es allein nicht mehr könnten. In der Mail an die AfD-Basis bezeichnete die Parteichefin die Konkurrenz als "Noch-Inhaber" politischer Mehrheiten. Am Sonntagabend spricht sie von der "Siegerstraße zum Bundestag 2017".

Bis zur Wahl sollte Ruhe herrschen in der AfD

Was ziehen da für Leute in die Parlamente, um das Land vom rechten Rand aus zu erobern? Drei Jahre nach Gründung der AfD fällt auf, dass sie nur noch wenig zu tun hat mit dem kleinen Kreis der gediegenen Europa-Kritiker, welche die Partei im Frühjahr 2013 ins Leben riefen.

Nicht allein, weil namhafte Gründer die Partei verlassen haben: Vor drei Jahren gab es den nationalkonservativen Flügel nicht, der sich seit diesem Sonntag mit dem Erfolg von André Poggenburg in Sachsen-Anhalt weiter gestärkt fühlen wird. Der 40-jährige Kleinunternehmer ist ein enger Vertrauter des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke. Poggenburg hat in der AfD in Sachsen-Anhalt eine Reihe von rechtslastigen, politisch unerfahrenen Köpfen um sich geschart, die auch die künftige Fraktion prägen sollen.

Aufgefallen ist er im Land zuletzt nur durch seine Finanzprobleme. Weil er ausstehende Forderungen nicht bezahlt hatte, wurde Poggenburg mehrmals eine Erzwingungshaft angedroht. Die Forderungen seien beglichen, erklärte er. Auch in AfD-Kreisen heißt es, dass der klamme Rechte die Einnahmen aus dem Mandat dringend brauche.

Auf den ersten Blick erscheint es schwer verständlich, dass ein Rechtspopulist wie Poggenburg und die beiden anderen an diesem Sonntag erfolgreichen Landeschefs der AfD in einer Partei sind. Der Ökonom Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg und der Bundeswehroffizier Uwe Junge aus Rheinland-Pfalz wirken bürgerlich konziliant.

Wo Poggenburg sich im Wahlkampf mühte, gemäßigt zu wirken, entsprach das bei Meuthen und Junge ganz ihrem Naturell. Aber keiner der beiden hat sich je offen gegen die rechtsnationalen Töne im eigenen Lager gestellt. In ihren Landesverbänden dulden sie rechtsnationale Kräfte im Parteileben, von denen einige durch extreme Aussagen aufgefallen sind.

Offen ist, wie sich der Erfolg auf das Parteigefüge auswirkt

Meuthen ist auch Bundesvorsitzender der AfD, nominell auf einer Stufe mit Frauke Petry. Sie hatte ihn im Sommer für diesen Posten gewonnen, als andere Anhänger des Lucke-Flügels abwinkten, weil sie nicht als liberales Feigenblatt dienen wollten. Bisher hat Meuthen auf Bundesebene keine Rolle gespielt. Auch Uwe Junge kam erst nach dem Bruch in der AfD im Juli nach oben.

Mit Lucke verließen viele gemäßigte Konservative die Landespartei, der Offizier übernahm den Landesvorsitz. Er war zuvor 34 Jahre in der CDU. Ende 2010 trat er für kurze Zeit in die rechtsnationale Partei Die Freiheit ein, im September 2011 wieder aus. So geschliffen er sich auch ausdrücken mag, im Wahlkampf wetterte er gegen die "Willkommenskultur" der Kanzlerin und das Grundrecht auf Asyl, Junge steht anders als Meuthen für den Rechtsruck der AfD.

Offen ist nun, wie der Wahlsieg das Machtgefüge der AfD beeinflussen wird. Zuletzt hatten sich Frauke Petrys Widersacher wie Alexander Gauland und Björn Höcke zurückgehalten. Petry will Höcke kleinhalten. Gauland hat Petry wiederholt Alleingänge vorgeworfen, es wurde darüber spekuliert, wie man sie entmachten könnte, ohne ihr den Führungsposten zu nehmen.

Aber alle ordneten sich dem Ziel unter, die AfD in weitere Parlamente zu bekommen. Seit Wochen traf sich der Bundesvorstand der AfD nicht mehr, weil bis zum Wahltag Ruhe herrschen sollte. Von einem Burgfrieden auf Zeit sprachen Vorstandsmitglieder: Nun hätten sie viel zu klären.

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