Am späten Samstagvormittag tritt Markus Frohnmaier ans Rednerpult und hält, ja, was eigentlich? Eine persönliche Vorstellung vor der Wahl? Das findet offenbar nicht nur die Parteitagsregie unnötig. Knapp 400 Delegierte sind in Heilbronn zusammengekommen, um im Kongresszentrum „Harmonie“ die Landesliste der AfD für die Landtagswahl in Baden-Württemberg am 8. März 2026 aufzustellen. Frohnmaier, der lange als Scharfmacher innerhalb der AfD galt, bewirbt sich als Kandidat seiner Partei für das Amt des Ministerpräsidenten. Doch als der Vertraute der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel zu den Delegierten spricht, muss er gar keine Bewerbungsrede mehr halten. Er ist zu diesem Zeitpunkt bereits gewählt, in offener Abstimmung, mit viel Applaus, bei nur einer Gegenstimme. Und ohne Vorstellung seiner Person, seiner Pläne.
So tritt Frohnmaier erst als bereits nominierter Ministerpräsidentenkandidat vor die Delegierten und hält eine Rede, die sich vor allem um eines dreht: eine härtere Migrationspolitik. „Abschieben rettet Menschenleben“, ruft Frohnmaier in den Saal, er verweist auf Anschläge von Islamisten. Um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, könne man am Stuttgarter Flughafen eine zusätzliche Startbahn bauen, schlägt er vor. Der Saal johlt.
Die lange zerstrittene Partei zeigt sich auf einmal einig
Innerhalb der in Flügelkämpfen durchaus erfahrenen Bundespartei galt der Landesverband Baden-Württemberg lange als besonders zerstritten. Beim Landesparteitag im Februar 2024 in Rottweil etwa drehten sich Mitglieder des Landesvorstands gegenseitig die Mikrofone ab, es gab Buhrufe, der Parteitag drohte im Chaos zu enden. Nur mit Mühe konnte ein neuer Vorstand gewählt werden, mit Emil Sänze und Markus Frohnmaier an der Spitze.
In Heilbronn aber präsentiert sich der Landesverband nicht notorisch zerstritten, sondern maximal geschlossen. Es gibt nicht einmal Kampfkandidaturen um die aussichtsreichen Plätze auf der Landesliste. Das liegt an Sänze und Frohnmaier, den beiden Vorsitzenden, die die Partei professionalisiert haben. Das liegt auch an Austritten von besonders renitenten Weidel-Kritikern. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass die Südwest-AfD in Heilbronn ihren ersten Delegiertenparteitag überhaupt abhält. Bislang waren die Wahlversammlungen immer offen für alle Mitglieder, keiner musste sich anmelden, alle durften mitstimmen. In Rottweil hatte das zur Folge, dass die Halle überfüllt war und der Parteitag kurz vor dem Abbruch stand.
Vor allem aber eint die Aussicht auf einen Erfolg bei der Landtagswahl. „Wir werden das beste, herausragendste Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland einfahren, was jemals geholt wurde“, sagt die AfD-Bundesvorsitzende Weidel, deren Heimatverband die AfD Baden-Württemberg ist.
Keine Partei will mit den Rechtsaußen koalieren
2021 hatten nur 9,7 Prozent der Baden-Württemberger für die AfD gestimmt, für die Partei war das eine große Enttäuschung. Aktuell aber sehen die Demoskopen die AfD bei 19 Prozent und damit auf Augenhöhe mit den Grünen, der Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Allerdings liegt die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Manuel Hagel in den Umfragen mit 31 Prozent weit vorn. Vor allem aber gibt es keine Partei, die auch nur ansatzweise mit der AfD koalieren will. Der Anspruch ausgerechnet im wohlhabenden Baden-Württemberg den ersten Ministerpräsidenten zu stellen, ist daher einerseits sehr kühn. Andererseits ist die Botschaft unmissverständlich: Wir stehen bereit.
Zumindest eines hat die AfD bereits erreicht: Sie wird ernst genommen, von den Grünen, vor allem aber von der CDU. Es gibt einflussreiche CDU-Strategen, die mit Blick auf den fest eingeplanten Wahlsieg 2026 nur noch ein Restrisiko sehen: die AfD und damit auch Markus Frohnmaier. Die Grünen und ihr Spitzenkandidat Cem Özdemir? Spielen in den CDU-Überlegungen nur noch eine Nebenrolle.
Dabei hat die Personalie Frohnmaier einen Schönheitsfehler: Der Böblinger Bundestagsabgeordnete kandidiert gar nicht für den Landtag. Nach Stuttgart wechselt er nur, wenn er tatsächlich Ministerpräsident wird. Frohnmaier will Regierungschef werden, ohne ins Risiko zu gehen, mit einer Rückfahrkarte nach Berlin. Die AfD versucht, dieses Manko in einen Vorteil umzudeuten: „Wir sind die Partei der Gewaltenteilung“, sagt der Co-Landeschef Sänze. Deshalb dürfe ein Ministerpräsident nicht zugleich im Landtag sitzen.
Und dann ist da noch die Vergangenheit des Mannes, der sich neuerdings ultraseriös gibt. Innerhalb der AfD galt er lange als Scharfmacher, er war Mitbegründer der inzwischen aufgelösten Jungen Alternative und ein Unterstützer des Thüringer Parteirechtsaußen Björn Höcke. Frohnmaier, 34, verheiratet mit einer russischen Journalistin, gilt zudem als besonders unkritisch, wenn es um Wladimir Putin geht – ein Bild, das er gerade etwas korrigieren will. „Ich bin nicht Russlands Mann im Bundestag“, sagte er vor dem Parteitag der Wochenzeitung Staatsanzeiger Baden-Württemberg.
Möglicherweise schadet der AfD im Wahlkampf auch die Einstufung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Gefahr eines möglichen Verbots. Sicher ist das keinesfalls, und das nicht nur, weil die Partei gegen die Einstufung klagt. In dem Bericht des Verfassungsschutzes sind zwar praktisch alle prominenten baden-württembergischen AfD-Politiker aufgeführt, Weidel, Sänze, Frohnmaier selbst. Aber das erzeugt keine Angst, eher Trotz. „Unser Erfolg wird schneller sein als deren Verbot“, sagt Frohnmaier in seiner Rede. An dieser Stelle ist der Applaus besonders lautstark.